whk1202/28.09 2002
Ausstellung des Erbscheins in Rosa nur verschoben
Hamburgs Einspruch im Bundesrat stoppt Magnus-Hirschfeld-Stiftung. whk: Zweite Enteignung der tatsächlichen NS-Opfer ist aber nur eine Zeitfrage
In der Bundesratssitzung am 27. September stoppte die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch das Land Hamburg vorerst das noch kurz vor dem Ende der 14. Legislaturperiode trotz heftigster Kritik von der Koalition durch den Bundestag gebrachte Gesetz zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung. Dazu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Das Stiftungsgesetz gehört zu den übelsten Machwerken der rot-grünen Koalition. Auf demselben Mist gewachsen wie die Stiftung zur endgültigen Abspeisung der Zwangsarbeiter oder die vor allem kosten-, sprich: entschädigungslose Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und wegen angeblicher oder tatsächlicher Verstöße gegen §175 Verfolgten, steht es klar in der Tradition des verächtlichen Umgangs des Landes der Täter mit den NS-Opfern. Das Gesetz sieht eben keine individuelle Entschädigung für NS-Opfer oder deren Erben vor, sondern es schreibt deren Nichtentschädigung endgültig fest.
Unter dem Deckmantel der Förderung wissenschaftlich-historischer sowie emanzipatorischer Arbeit wurde einer "kollektiven Entschädigung" für die von den Nazis zerstörte "homosexuelle Infrastruktur" ein Rechtstitel verschafft, die schlichtweg die abermalige Enteignung der NS-Opfer als Voraussetzung hat. Denn die über das Stiftungsgesetz zwangskollektivierte Infrastruktur (darunter Lokale, Verlage, Zeitungen, wissenschaftliche Einrichtungen) war privates, oft jüdisches Eigentum.
Der Skandal wird um so größer dadurch, daß der Bundestag unter Rot-Grün all jenen Opfern Rehabilitierung und Entschädigung verweigerte, die bis 1969 nach dem in der Nazifassung ins Strafrecht der BRD übernommenen §175 verurteilt wurden. Anstatt angesichts der wenigen noch lebenden Rosa-Winkel-Opfer die Zehntausenden nach demselben Paragraphen in der BRD Verurteilten in deren Erbe einzusetzen, erklärte Rot-Grün den Nazi-Paragraphen damit für rechtsstaatskompatibel.
Vor diesem unsäglichen Hintergrund hätte das whk die Anrufung des Vermittlungsausschusses ausgerechnet durch einen offen schwulen Hamburger Justizsenator als skurrile Einlage werten und das vorläufige Ende des Projekts begrüßen können. Sie ist aber weder durch menschlichen Anstand, noch politische Moral oder gar historische Kenntnis motiviert, was von einem CDU-Rechtsausleger in einer stramm rechten Koalition ohnehin nicht zu erwarten war, sondern folgt allein der Logik des Macht- und Verteilungskampfes zwischen Parteien. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung sollte rot-grüne Lobbyvereine mit Posten und Mitteln versorgen bzw. ihnen über den Zuschnitt des Kuratoriums Kontrolle über die Geldverteilung in der Homo-Szene verschaffen. Hauptprofiteur sollte der von grünen Parteikadern dominierte Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) sein, der infolge der zweifelhaften Verwendung von Steuergeldern in einer akuten Finanzkrise steckt.
Insofern hält das whk all jene Kommentatoren für hoffnungslos naiv, die glauben, die Geldwaschanlage namens Magnus-Hirschfeld-Stiftung sei nun ganz vom Tisch oder werde durch die Koalition in grundlegend veränderter Form neu in den 15. Deutschen Bundestag eingebracht. Die Ausstellung des Erbscheins ist verschoben, aber sie wird schnellstens nachgeholt werden. Weder die Toten noch die Überlebenden werden sich dagegen noch wehren können.
Rückfragen: 0180/4444945; mail@whk.de
Siehe dazu auch den Offenen Brief des whk an die Koalitionäre vom 8. 2. 2002
sowie die whk-Presseerklärungen 0402 und 0502 vom 12. 6. 2002Fakten zum LSVD-gemäßen Kuratoriums-Design der geplanten Magnus-Hirschfeld-Stiftung finden Sie im Editorial der whk-Zeitschrift Gigi vom Juli/August 2002