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4. Februar 1998
Kommunistische Kinderficker
Die Beck ab!-Story, Teil 5: Ein langer Parteitag in aller Kürze.
Die flammende Rede begann mit einem Paukenschlag: "Unser Land wird zum Museum, und ich möchte der erste grüne Museumswächter werden." Zugegeben, so ganz richtig zitiert ist dies nicht. Denn obwohl seine auf staatsbürgerliche Respektabilität ausgerichtete Schwulenpolitik diesen Verdacht durchaus nahelegt, ersparte unser Volker Beck den knapp 300 Delegierten des nordrhein-westfälischen Landesparteitages von Bündnis 90/Die Grünen den zweiten Halbsatz. Statt dessen ergoß sich der Inhalt einer propagandistischen Fünfminuten-Terrine auf das im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus versammelte Auditorium, als sich der schwule Ober-Bürgerrechtler dem grünen Wahlvolk empfahl: Es ging um einen vorderen Platz auf der Kandidatenliste der NRW-Grünen zur Bundestagswahl.
Ohne einen einzigen Nebensatz und stimmlich hochfrequent spulte der Kandidat sein gewohntes Konserven-Repertoire ab: "Wir brauchen eine Offensive für die Bürgerrechte", schallte es da vom Pult und "Wir sind die Partei der Bürgerrechte und der Minderheitenrechte". Wie sehr das homophile MdB schon seinem biedermännischen Tüll- und Glockenwahn verfallen ist, erwies sich neben dem altbekannten Spruch "Auch für Lesben und Schwule müssen Hochzeitsglocken läuten dürfen" an so herzhaften Metaphern wie "Auch im Bund wird es mit der SPD keine Liebesheirat geben", "Schröder oder Lafontaine beide sind keine Männer nach meinem Geschmack" und "Aber der Ehevertrag, der muß stimmen!" Das Ganze stelle sich die Leserin kombiniert mit dem kompletten Zeichenvorrat schwuler Gestik vor. Gibt es etwas Drolligeres als Naturtunten, die John Wayne sein wollen?
Da die Rede abseits Beckscher Selbstdarstellung ansonsten ohne jeden Gedanken auskam, erübrigt sich hier eine Wiedergabe im Detail. Doch just deswegen erfüllte sie ihren Zweck. Wie ein auf seine alten Tage erstmals leicht beschwipstes Fräulein mit seinen homosexuellen Anteilen kokettierend, waren Beck Szenenapplaus und reichlich Ja-Stimmen gewiß: Da war er wieder, der Quoten-Homo. Zwar scheiterte er beim Kampf um Platz 4, und auch beim Platz 6 klappte es erst im dritten Anlauf. Dafür katapultierte Beck etwa den mit einer beachtlichen, inhaltlich starken Rede angetretenen Flüchtlings- und Asylpolitiker Jamal Karsli aus dem Rennen. Am Ende landete Beck gar noch vor der profilierten Feministin Annelie Buntenbach, was weniger für ihn als gegen seine Partei spricht. Der von Beck ab! unterstützte Herbert Rusche indes trat mutig gegen Beck direkt um Platz 4 an und hatte nicht den Hauch einer Chance. Sein Versuch, sich mit emanzipatorischen Inhalten statt dem Eindruck eines netten Sonnyboys zu empfehlen, war den Delegierten ganze zwei Stimmen wert exakt 76 weniger als für Beck. Zudem legte man unmittelbar vor der Abstimmung um Platz 4 plötzlich Wert auf Verankerung und Unterstützung im Kreisverband, die der lediglich mit Aachener Zweitwohnsitz ausgestattete Rusche nicht vorweisen konnte. Somit erübrigte es sich, später noch um einen anderen Listenplatz zu kandidieren.
Getreu dem subversiven Anspruch sorgte Beck ab! selbst jedoch für einige Irritationen. Lange vor Tagungsbeginn zierten ausführliche Hintergrundinfos in Blau, Rot, Weiß, sogar Grün, die Plätze aller Delegierten sowie die der Presse. Daß auf Intervention der grünen LAG Schwulenpolitik der Beck ab!-Infotisch in der Lobby von der Bühne herab untersagt wurde, machte das Material nur noch interessanter. Die Begründung lautete, es werde eine konkrete Person angegriffen ungeachtet dessen, daß den Saal Plakate mit Losungen wie "Schäuble macht Kohl" und "Schieb ab, Kanther!" schmückten. Ein von Beck-Freunden vorbereitetes Flugblatt "Was ist 'Beck ab!'?" tat sein übriges. Es war, pardon, einfach zu dumm. Gegen die immerhin von Schwulen jüdischer Herkunft mitinitiierte Kampagne Beck ab! wurde vorgebracht, sich den Vergleich mit der NS-Judenverfolgung durch einen Kölner Bullen und SVD-Klienten energisch verbeten zu haben (vgl. Teil 4 der Beck ab!-Story). Und das, obgleich sich Volker Beck gerade auch in Gelsenkirchen gern als der selbstlose Interessenvertreter "vergessener" NS-Opfer präsentiert. Man war sich auch nicht zu blöd, unser "Ja zur Polygamie!" als frauenfeindlich auszulegen. Zur Erinnerung: Die vollständige Überschrift der Presseerklärung hatte gelautet: "Ja zur Polygamie! Beck ab! begrüßt 'Hamburger Ehe'." Und die war an der Alster als grandioser grüner Erfolg in den Koalitionsverhandlungen zum rot-grünen Senat gefeiert worden. Als ebenso frauenfeindlich wurde die Aussage bewertet, daß Beck nie das Sexualstrafrecht angetastet, statt dessen aber die Entsolidarisierung mit diskriminierten Gruppen in der Schwulenbewegung forciert habe, konkret den Pädophilen.
Doch das war längst nicht alles. Eine Dortmunder Lesbe fragte wie auf Bestellung Beck und Rusche via Saalmikro, warum Beck ab!-Flugis bisher nur in PDS-Kneipen aufgetaucht seien (man beachte, wo grüne Lesben verkehren). Der Wahrheitsgehalt der Aussage war so unwichtig wie die Antwort, allein das Kürzel "PDS" in der Frage war der Inhalt. Damit wurden die wahrscheinlichen Kinderficker von Beck ab! zu dem, was realdemokratische Kalte Bürgerrechtskrieger am allermeisten verachten, nämlich Kommunisten. Beck selbst setzte dann noch eins drauf. Hastig entrollte er eine auf Plakatgröße gebrachte Kopie des ersten Beck ab!-Flugblattes ("Ich muß leider draußen bleiben") und jammerte, wie menschenverachtend die Kampagne gegen ihn doch sei. Das war schon ein recht schaurig Spiel. Aber wie der unbescholtene Kandidat schon eingangs betont hatte: "Unser Land wird zum Museum."
Was lehrt uns nun das ganze grüne Realodrama? Wenn Personen, nicht aber deren Programme zählen, so ist das "schwule und lesbische Bürgerrecht" bei den Bündnisgrünen, mindestens bei jenen in NRW, in besten Händen. Für die aktive Emanzipation nicht nur der Homosexuellen, sondern der Gesellschaft als Ganze, wird man sich allerdings andere Partner suchen müssen. Eine Erkenntnis, deren Wert man nicht geringschätzen sollte.
Nun sieht die Welt von einem Parteitagspodium herab freilich ganz anders aus, und so wollen wir der Leserin folgende, "An die Herren Nehm und Stedefeldt von 'Beck ab'" adressierte Elektrodepesche vom 3. Februar nicht vorenthalten: "Vielen Dank, daß Ihr meine Kandidatur im Gespräch gehalten habt. Die Delegierten des Parteitages von Bündnis 90/Die Grünen NRW haben mich am 31. Januar auf Platz 6 der Bundestagsliste gewählt. 1994 hatte ich Platz 10 erhalten. Zu diesem 'großen Sprung nach vorn' hat möglicherweise auch ein wenig beigetragen, daß die Delegierten die von Euch verbreiteten Lügen, Verdrehungen und Beschimpfungen besonders abstoßend fanden. Unrecht Gut gedeihet nicht."
Gewiß, ein Mensch mit Kinderstube oder einem Knigge im Haus duzt keine "Herren", und sicher ist es schlimm, daß in der Abiturstufe keine Logik gelehrt wird (logischerweise könnten jene "Lügen, Verdrehungen und Beschimpfungen" zum Aufstieg von Platz 10 auf Platz 6 wie zur Verfehlung des begehrten Platz' 4 gleichermaßen beigetragen haben).
Doch konzentrieren Sie sich bitte auf den frommen Wunsch "Unrecht Gut gedeihet nicht". Daß hierzulande diese Salomosche Weisheit tagtäglich eindrucksvoll widerlegt wird dazu konsultieren Sie am besten eine der fünf Millionen Arbeitslosen, einen Asylbewerber oder auch die Unternehmensbilanz der Deutschen Bank , könnte dem staatstragenden Absender unter Umständen entgangen sein. Anders als er arbeitet Beck ab! indes daran, daß das unrechte Gut künftig nicht noch ein bißchen "gleichberechtigter" gedeiht als jetzt. Was schließlich den kleinen Anflug von Häme betrifft, so dürfen wir freundlich an einen weiteren Spruch Salomos erinnern, der da lautet "Hochmut kommt vor dem Fall".Eike Stedefeldt
Wer Volker Beck in Gelsenkrichen aufs grüne Pferd half, lesen Sie hier.