Start
3. November 1997
Crazy little Feuerwerk
Die Beck ab!-Story: Was weiter geschah.
Am 19. Oktober, zwei Tage nach dem ersten Presseschlag gegen Beck ab! durch Jan Feddersen, den "Safwan-Eid-Verfolger" (konkret 11/97), der "bei der taz den rechten Flügelmann gibt" (Jungle World, 31. 7. 1997), setzten wir den Aufruf "Vier Jahre Volker sind genug. Jetzt wird geschlußvolkert!" in die Welt. Insbesondere per e-mail trafen danach Anfragen ein, was denn das Theater solle. Der Haupteinwand lautet, Beck ab! sei destruktiv, da keine personelle Alternative geboten würde. Leider aber leben wir in einem Parteienstaat, dessen Wahlsystem den Einzug unabhängiger Einzelkandidaten ins Hohe Haus zuverlässig ausschließt. Auch die Teilnehmer einer überparteilichen Initiative wie Beck ab! sind somit gezwungen, für sich selbst die Alternative und damit eine Partei zu wählen. Tröstlich ist nur, daß es schon jetzt in mindestens drei Bundestagsparteien Abgeordnete gibt, die umsichtigere Schwulenpolitik betreiben als Volker Beck.
Wenngleich wir mit solchen Debatten noch niemanden gewinnen konnten, so ist doch eine politische Diskussion in Gang gekommen, was ja langfristiges Hauptziel von Beck ab! ist. Und wir haben erfahren, wie weit die Entpolitisierung der Schwulen fortgeschritten ist. Das selbständige, kreative politische Denken scheint sich in tiefer Staatstreue und Obrigkeitsverehrung aufzulösen.
Und doch kamen auch positive Rückmeldungen, so daß wir aktuell rund 30 UnterstützerInnen haben. Auffällig ist, daß sie zum großen Teil aus dem universitären Bereich kommen, aus ASten und linken Gruppen, etwa Jusos und JungdemokratInnen/Junge Linke. Vornehm zurück halten sich bislang PDSler, im Gegensatz zu Schwulen von Bündnis 90/Die Grünen in NRW. Zudem konnten wir einige Feministinnen gewinnen.
Freilich ruhte auch Volkers Männerverein nicht. So wurde uns hinterbracht, es gebe eine Gegeninitiative "Wir wollen unseren Volker im Bundestag". Eine sichere Quelle wußte, daß die SVD-Pressestelle nicht nur die Dokumente, welche die Spitzelchen unseres grünen Rechtsexperten bei der Beck ab!-Gründung geklaut hatten, sondern auch unsere erste, rein private Einladung und die ebenfalls privaten Antwortbriefe an Behörden und Medien faxte. Man hatte nachträglich nur ein einziges kleines Wort markiert: Pädos. Das sollte uns nicht entsetzen; Denunziation gehört zum Machterhalt.
Mit dem November trudelte schließlich die aktuelle Schwulenpresse ein und bescherte uns ein crazy little Feuerwerk from Volker's Friends. Zunächst schlugen sich Marc Kersten und die rosa zone auf Volker Becks Seite. In derselben Nummer fanden wir schlappe dreizehn SVD-Anzeigen, welche laut Preisliste Nr. 5 mit 2.860 DM/netto zu Buche schlagen.
Jürgen Bieniek vom Gay Express, der gern für einen Journalisten gehalten wird, ließ sich gleich ganzseitig vernehmen. Ohne Nachricht und Kommentar trennen zu können, wußte Bienchen zu reportieren, die "links-autonome Initiative" Beck ab! sei nicht nur "auf dem rechten Auge blind", sondern auch auf dem linken. Der Rest der Zeitung widmete sich übrigens der Homo-Ehe, der Homo-Ehe und der Homo-Ehe.
Wer hätte gedacht, daß First und Box einmal Gay Express und rosa zone links überholen würden? Zu unserer Erleichterung verzichteten die schreibenden Herren Gays auf Artikel zu Beck ab!, ebenso Sergej aus Berlin, in dessen vierten Heft noch immer kein Inhalt gesichtet ward. Neutral blieben Männer aktuell ("Linke Schwule erheben sich gegen den konservativen Schwulenpolitiker") und Siegessäule ("Sail away").
Daß sich "radikale KritikerInnen in der Schwulenbewegung" formieren veranlaßte die Kölner Sozialistische Zeitung (30. 10.) hingegen zu einem Vierspalter mit deutlicher Pro-Tendenz auf Seite 2. Ja, und dann partizipierten wir noch an einer Essener Kommerzfete, denn ganz ohne Geld läuft eben auch bei Beck ab! nichts.
Eike Stedefeldt