21. Oktober 1997
Wider den grünen Smartie
Die Beck ab!-Story: Was bisher geschah.
Am 11. Oktober 1997 trug sich in Berlin die Gründung unserer selbstlosen, gemeinen und nützlichen Initiative zu. Von den ca. 50 persönlich eingeladenen Schwulen hatten sich an diesem feuchten Sonnabendmorgen ganze fünf aus dem Bett gequält. Wir dachten bereits ans Aufgeben. Doch dann adelten mit Dietmar Zimmer und Martin Gronert zwei Bundessprecher von MdB Volkers Wahlverein SVD unser Meeting mit ihrer einstündigen Anwesenheit. Daß sie für ihren Herrn und rechtspolitischen Gebieter sogar unsere internen Materialien mitgehen ließen (diese sind vollständig in Köln angekommen, wie sich zeigte), ließ uns jedoch sofort ein detailliertes Aktionsprogramm verabschieden.
Am Sonntag setzten wir eine begrenzte Öffentlichkeit von unserem schändlichen Tun in Kenntnis, darunter nur einige wenige kleine Zeitungen. Den Rest besorgte die Kölner SVD-Pressestelle tags darauf unter der schönen Losung "Neue Initiative 'Beck ab!' verbreitet Unwahrheit". Über den umfänglichen SVD-Presseverteiler erfuhr so auch die große weite Medienwelt, daß Beck ab! "brutal", "menschenverachtend" und "abstoßend" sei und "mit Lug und Trug" operiere, was uns einige Anfragen Interessierter einbrachte. Abends sendete bereits das Nürnberger Radio Z ein Interview mit unserem Sprecher Jürgen Nehm, ebenso der dort ansässige schwule Fliederfunk. Bei Radio Z äußerte sich auch unser aller Volker. Beck ab!, so meinte er, werde maßgeblich von Pädos getragen. Wir sollten uns in Nachsicht üben, er kann nun mal nicht anders.
Am Donnerstag schließlich, dem 17. Oktober, qualifizierte sich Jan Feddersen, der Schwule vom rechten taz-Rand, mit 75 Zeilen auf Seite 6 (Inland) fürs Kollektiv junger Propagandisten: "Linksradikale Homos in Aufruhr" schlagzeilte er, darunter folgte eine Eloge auf unser "linkes" Opfer, das sich "als schwuler Mann" nie damit profiliert habe, "im Kleid zu einer Rede vor dem Hohen Haus anzusetzen", das statt dessen "smart, ja umgänglich" sei und mit zumeist (!) "radikaldemokratischen" Inhalten auffalle. Im Gegensatz zum grünen Smartie seien wir "fundamental-schwule" "Homo-Inquisitoren", autonome zumal, die 1994 (pfui!) die PDS unterstützt und "Abgeordnete, deren Angehörige in Auschwitz ermordet wurden" gefordert hätten. Wie schändlich.
Fassen wir kurz zusammen: Der SVD hat uns bürgerbewegte Spitzel geschickt, obwohl der Verein gar nicht zur Wahl antritt. Unsere Materialien wurden des Klauens für wert befunden. Volker Beck denunziert uns als Kinderficker, die tageszeitung als Tunten und PDS-Vasallen. Und das alles, obwohl da nur drei (SVD) beziehungsweise zwei (taz) "Berliner Homos" mit dem "Fanal" Beck ab! "zum Halali" blasen. Binnen einer Woche ist Beck ab! von zwei Rundfunkredaktionen und einer überregionalen Tageszeitung vorgestellt worden, und weitere Beiträge sollen, wie uns versichert wurde, in anderen Blättern erscheinen. Was will man eigentlich mehr?
Eike Stedefeldt