whk2905/08.08.2005
Staatsanwaltschaft: Keine Ermittlungen gegen Kölner Polizei
Beamte sollen im Dienst Marschlieder aus dem Dritten Reich gesungen und schwulenfeindliche Sprüche geklopft haben / Polizei erkärt gegenüber whk, vom Absingen von Nazi-Liedern durch Beamte "kann nicht ausgegangen werden"
Die Staatsanwaltschaft Köln hat ihre Ermittlungen gegen unbekannte Polizisten eingestellt, die von einer Polizeischülerin öffentlich beschuldigt worden waren, im Dienst "Marschlieder aus dem Dritten Reich" gesungen zu haben. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Die Staatsanwaltschaft Köln wird nicht weiter gegen Polizisten ermitteln, die von einer Absolventin der Polizeischule öffentlich beschuldigt worden waren, im Dienst Nazi-Lieder gesungen und schwulenfeindliche Sprüche geklopft zu haben. Dies geht aus einem Schreiben des Polizeipräsidiums an das whk hervor. Darin teilt die Behörde dem whk mit, das Verfahren sei "nach Abschluß der Überprüfung seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 II StPO eingestellt worden." Das whk bedauert die Einstellung des Verfahrens. Gerade bei der skandalgeplagten Kölner Polizei sollten erstzunehmende Hinweise auf mögliche ungesetzliche oder sogar demokratiefeindliche Vorkommnisse besonders aufmerksam untersucht werden.
Das whk hatte den Polizeipräsidenten Klaus Steffenhagen im Frühjahr aufgefordert, die Angelegenheit zu untersuchen und nötigenfalls entsprechende Schritte gegen die verantwortlichen Beamten einzuleiten. Das whk sah sich zu diesem Schritt veranlaßt, nachdem der Vorfall mit der braunen Gesangseinlage sowohl von dem mit der Polizei kooperierenden "Schwulen Überfalletelefon Köln 19228" des Lesben- und Schwulenverbands LSVD als auch von der "Vereinigung lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (VelsPol) öffentlich dokumentiert worden war. Bedauerlicherweise hatte es keine der beiden Organisationen für nötig befunden, von der Polizeibehörde Konsequenzen aus dem Vorgang zu verlangen, der sich vermutlich schon vor zwei Jahren ereignet hatte. (vgl. whk-Pressemitteilung vom 17. Februar 2005)
Konkret hatte das Schwule Überfalltelefon in seinem in diesem Februar veröffentlichten Jahrebericht 2004 aus einem längeren Text über die Diskrimminierung von Schwulen und Lesben im Polizeidienst zitiert, den der VelsPol offenbar im Sommer letzten Jahres auf seine Internetseiten gestellt hatte. Darin äußert sich eine lesbische Polizeischülerin in einer anonymen Zuschrift "arg schockiert" über die "mittelalterlichen Zustände" bei der Kölner Polizei. So werde in den Kriminalkommissariaten immer noch von der Zeit "geschwärmt" in der Homosexualität strafbar gewesen sei und man die "widerlichen Schwulen" noch "bis auf die Wache geprügelt" habe. Auch habe sie es als Polizeischülerin "nicht unbedingt passend" gefunden, daß auf der Wache "Marschlieder aus dem Dritten Reich angesungen wurden". Erschreckend seien "die ganzen Kopfnicker und Mitläufer", die es sowohl in den Kriminalkommissariaten wie auch in den Verkehrskommissariaten gebe. (www.velspol.de/front_content.php?client=4&lang=3&idcat=56&idart=100&m=&s=)
Das Polizeipräsidium teilt dem whk zur Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Überprüfungsverfahrens nun mit: "Da in dem von Ihnen angeführten Leserbrief (der Polizeischülerin whk) weder eine genaue Bezeichnung der Lieder erfolgte noch Personen namentlich benannt wurden, konnte ein strafrechtlich relevantes Geschehen, welches die Voraussetzungen eines Anfangsverdachts" im Sinne des § 152 StPO erfülle "nicht nachgewiesen werden". Weiter führt die Polizeibehörde aus: "Das 'Absingen von Marschliedern' erfüllt keinen Straftatbestand. Eine Strafbarkeit nach § 86a StPO wäre nur gegeben, wenn es sich um das 'Host-Wessel-Lied' oder das SA-Lied 'Es zittern die morschen Knochen' gehandelt hätte." Hiervon könne jedoch "aufgrund der mitgeteilten Umstände unbekannter Personen nicht ausgegangen werden". Im übrigen "hätte die Verfasserin des Leserbriefes bei Vorliegen strafrechtlicher Umstände Anzeige erstattet, zumal sie als Polizeibeamtin dem Strafverfolgungszwang" unterliege, so das Polizeipräsidium gegenüber dem whk. Demgegenüber hatte die Polizeischülerin allerdings nicht pauschal von Marschliedern gesprochen, sondern explizit von "Marschliedern aus dem Dritten Reich". Nach Ansicht des whk hätte man den Vorfall zumindest untersuchen müssen, um beurteilen zu können, um welche Lieder es sich dabei tatsächlich gehandelt habe. Dies sei aber eben nicht geschehen, so das whk.
Hinsichtlich der von der Polizeischülerin erwähnten schwulenfeindlichen Äußerungen teilt das Polizeipräsidium mit, Fälle von diskriminierenden Äußerungen aus den Reihen der Polizei gegenüber Schwulen und Lesben würden "sehr ernst genommen und straf- bzw. disziplinarrechtlich verfolgt". Alle Angehörigen der Kölner Polizei seien "sich bewußt, daß das Thema eines sensiblen Umgangs bedarf". Für das whk stellt sich dann jedoch die Frage, warum die Polizei die bekannt gewordenen homophoben Äußerungen nicht konsequent ahndet. Für das whk agiert die Behörde unglaubwürdig, wenn sie just dann nicht einschreitet, wenn es besonders darauf ankäme.
Eine vom Schwulen Überfalltelefon seit Jahren beklagte deutliche Verschlechterung des Verhältnisses von Homogruppen und Polizei will die Behörde im übrigen nicht erkennen. "Das Verhältnis der Kölner Polizei zu Schwulen und Lesben ist seit vielen Jahren geprägt von einem toleranten und offenen Umgang miteinander." Die Polizei sei "ein Teil dieses weltoffenen Klimas in unserer Stadt". Unterdessen hatte das Schwule Überfalltelefon die Schilderungen der Polzeischülerin als "besorgniserregend" bezeichnet und gemahnt, Beschwerden dieser Art "sollten politisch und personell Verantwortliche hellhörig werden lassen".
Die vom Polizeipräsidium "in beiderseitigem Interesse" ans whk gerichtete die Bitte, eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Schwulengruppen und Polizei "nicht herbeizureden", hält das whk für durchaus heuchlerisch. Nicht das eine Zusammenarbeit mit der Polizei als staatlichem Repressionsinstrumentstrikt strikt ablehnende whk, sondern die Polizeibehörden und ihre vor Wochen aufgedeckten "Rosa Listen" seien doch wohl für die derzeit angespannte Lage verantwortlich. Das whk verwahrt sich dagegen, in irgend einer Weise für die Fehler einer Behörde verantwortlich gemacht zu werden.
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