Dokumentation
whk-Aktionsprogramm
1. Emanzipation ist nicht teilbar
Abweichende Sexualität paßt nicht in das Werte- und Normenkonzept einer patriarchalen Gesellschaft. Die Bewußtwerdung der Sexualität versetzt Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle in die Lage, eigene Identitäten, Werte und Normen unabhängig von bestehenden Rollen- und Verhaltensmustern zu entwicklen. Der Kampf um Anerkennung homo-, bi-, trans- und intersexueller Lebensweisen ist auch immer ein Kampf um Emanzipation von bestehenden Unterdrückungsmechanismen. Das bloße Einklagen sogenannter BürgerInnenrechte steht einer Emanzipationspolitik entgegen. Deshalb fördert und unterstützt das whk sowohl die individuelle als auch die kollektive sexuelle und politische Emanzipation. Die parlamentarische Vertretung dieser Interessen ergänzt die politische und kulturelle Arbeit der Assoziation.2. Grenzenlos gegen Ausgrenzung
Sexuelle, soziale und politische Minderheiten bilden den Kern homo-, bi-, trans- und intersexueller Vielfalt, sie lassen sich nicht in Hetero-Lebensentwürfe pressen. Entsolidarisierung unserer Minderheiten spaltet uns und macht uns angreifbar.3. Rührt Euch gegen Militarismus und Krieg
Diskriminierung in allen gesellschaftlichen Institutionen müssen bekämpft werden. Aber eine auf das Handwerk zum Töten ausgerichtete Institution steht mit Ziel und Struktur gegen jede Emanzipation, auch die sexuelle. Auch schwule Soldaten sind Mörder!
Das whk fordert deshalb die Anerkennung der Homosexualität und der Weltanschauung als politische Verweigerungsgründe des Wehrdienstes; die Abschaffung von Wehrpflicht, Zivil- und Ersatzdiensten; keinen Einsatz deutscher Soldaten weltweit sowie die Auflösung von Bundeswehr und NATO.4. Wahlverwandtschaften statt Homo-Ehe
Homo-, bi-, trans-, und intersexuelle Menschen leben als Singles, Paare, zu mehreren, monogam oder promisk. Diese Lebensweisenvielfalt muß erhalten bleiben. Eine Reduzierung auf die sogenannte Homo-Ehe begründet eine "neue" Moral, eine Aufwertung der patriarchal geprägten Ehe. Die "Öffnung der BGB-Ehe für Lesben und Schwule" weitet den Kreis der Privilegierten nur aus.
Das whk fordert statt dessen die souveräne Entscheidung über die Erteilung von Angehörigenrechten (zum Beispiel Besuchsrecht im Krankheitsfall, Zusammenlegung von Wohnberechtigungsscheinen, Zeugnisverweigerungsrecht in Strafprozeßen) sowie die sofortige konsequente, das heißt ersatzlose Abschaffung des Ehegattensplittings. Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität dürfen kein Grund zur Ablehnung eines Adoptionsbegehrens sein §1741 BGB muß dahingehend geändert werden.5. Emanzipation von der normativen Zweigeschlechtlichkeit
Das Regime normativer Zweigeschlechtlichkeit führt zur Unterdrückung, ja teilweise Auslöschung aller davon Abweichenden. So sehen sich Hermaphroditen bzw. Intersexuelle durch die moderne Medizin schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ärzte vollstrecken an ihnen durch Genitalverstümmelungen die gesellschaftlichen Vorstellungen von Normalität. Aber auch Transsexuelle bzw. Transgender-Personen erleben aufgrund ihres Andersseins alltägliche Ausgrenzung, psychische und physische Gewalt. Sie müssen sich durch das Transsexuellengesetz (TSG) pathologisieren lassen, das in § 8 nicht nur die operative Veränderung der äußeren Geschlechtsmerkmale, sondern auch die Herstellung der dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit erzwingt.
Das whk fordert den sofortigen Stopp von Genitalverstümmelungen an intersexuellen Kindern. Die Medizin darf nicht mehr die unumschränkte Definitionsgewalt über körperliche "Normwerte" ausüben. Es fordert außerdem den freien Zugang zu Namen und Geschlecht für alle Menschen ohne entmündigende Begutachtung und TSG-Zwangsbeschneidung, so, wie es die International Bill of Gender Rights vorsieht.6. Für reproduktive Rechte, gegen nationale Bevölkerungspolitik
In Deutschland wird unter dem bigotten Vorwand, das ungeborene Leben zu schützen, noch immer Frauen das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper verwehrt.
Das whk fordert die ersatz- und bedingungslose Streichung des § 218, dessen Existenz dieselbe Ideologie zugrunde liegt wie der Homosexuellenunterdrückung: die des nationalstaatlichen Verfügungsrechts über Körper und Sexualität der Staatsbürgerinnen.7. Die Reichen sollen die Krise zahlen
Die wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik verschärft sich zusehends. Der gesellschaftliche Reichtum wird immer mehr zuungunsten der Nicht- und Geringverdienenden verteilt. Auch Homo-, Bi-, Trans-, und Intersexuelle sind Teil dieses Umverteilungsprozesses. In Zeiten wirtschaftlicher Verwerfungen stabilisieren tradierte Rollen- und Verhaltensmuster, überkommene Sexual- und Fortpflanzungsideologien Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung. Nicht die Ausdifferenzierung in arbeitslose Homos und "Gay Manager", sondern die Solidarität mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und Bewegungen kann zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung führen.
Das Whk fordert annehmbare Arbeit für alle und die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich einerseits sowie eine staatliche Grundsicherung von 1.500 DM plus Miete für alle bei Abschaffung des Arbeitszwangs.8. Nazis sind Arschlöcher. Überall.
In der Bundesrepublik leben Menschen verschiedener Hautfarbe, Religion, Nationalität und Staatszugehörigkeit. Sie zahlen Steuern, konsumieren Waren und schaffen kulturelle Vielfalt. Mit der Verschärfung des reaktionären Ausländergesetzes und der Aushöhlung des Artikels 16 des Grundgesetzes wurde die staatliche Diskriminierung und Kriminalisierung von Menschen anderer Hautfarbe, Nationalität und Staatszugehörigkeit festgeschrieben. Die bloße Herausnahme homosexueller sogenannter binationaler Partnerschaften aus den Strukturen der Illegalisierung führt zur Entsolidarisierung von der MigrantInnen- und Flüchtlingsbewegung und schafft neue Formen von Abhängigkeiten, die wiederum Grundlagen für den internationalen Menschenhandel darstellen.
Das whk fordert die Wiederherstellung des Artikels 16 GG in seiner Ursprungsfassung und die Einführung des bedingungslosen Rechts auf doppelte Staatsbürgerschaft für alle. Ferner fordert das whk die Abschaffung des Ausländergesetzes sowie ein Arbeits- und Aufenthaltsrecht für jeden hier leben wollenden Menschen. Es fordert das Verbot aller rechtsradikalen und faschistischen Organisationen und Gruppen, ihrer Agitation und Propaganda.9. Es rettet uns kein höheres Wesen
Moderne Verhaltens-, Sexual-, Politik- und Gesellschaftsforschung beruht auf aufklärerischem Gedankengut inklusive der Erkenntnisse des historischen Materialismus. Sie gehört zu den Grundlagen einer fortschrittlichen Gesellschaftsordnung. Ihre Existenzgrundlage und gleichermaßen logische Schlußfolgerung ist die durch bestehende Gesetze fixierte Trennung von Staat und Kirche.
Das whk fordert die Umsetzung dieser Trennung in allen gesellschaftlichen Bereichen und vor allem die Abschaffung des staatlichen Einzugs der Kirchensteuer.10. Aktion statt Reaktion
Mit populistischen Parolen wie "Lesben und Schwule wollen Hochzeitsglocken läuten hören" maßten sich selbsternannte Sprecher die Alleinvertretung aller Homos an. Die Legitimation dafür leiteten sie von Partei- und Verbandsfunktionen ab. Dieser Vereinnahmung stellt das whk die Vertretung seiner Freundinnen gegenüber. Ferner stellen wir uns gegen jede Instrumentalisierung von Hilfe- und Selbsthilfeprojekten durch Partei- und Verbandsstrukturen.
Das whk fordert die finanzielle Förderung bundesweiter Hilfe- und Selbsthilfestrukturen, von Gruppen und Vereinen durch einen aus verschiedenen Bundesministerien gespeisten Förderetat, zum Beispiel aus den Ressorts Familien, Frauen und Soziales.26.10.1998