whk2005/19.05.2005
Code 901: Länderpolizeien sammeln offenbar Daten über "Aufenthalt von Homosexuellen"
NRW-Innenministerium verweigert öffentliche Stellungnahme zu "Rosa Listen" / whk: Datenschutzbeauftragte müssen sofort Löschung der Homo- und Stricherkarteien veranlassen!
Der nordrhein-westfälische "Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (Velspol) hat in einer Rundmail vom gestrigen Tage die Sammlung von Daten über mutmaßlich homosexuelle Männer in den Datenbanken von mindestens drei Länderpolizeien bestätigt. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Die durch den "Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (Velspol) Nordrhein-Westfalens am gestrigen Tag verbreiteten Informationen zu polizeilichen Datensammlungen über mutmaßlich homosexuelle Männer markieren einen handfesten Skandal. Noch schlimmer ist, daß das sich für die "gute Zusammenarbeit" von Polizei und Homogruppen rühmende NRW-Innenministerium von SPD-Minister Behrens den brisanten Vorgang nicht einmal öffentlich kommentieren und die durch nichts gerechtfertigte Datensammlung offenbar auch noch fortsetzen will. Ein prima Wahlgeschenk für die lesbisch-schwule Community an Rhein und Ruhr.
Erst vor wenigen Tagen hatte das Ministerium Schwulen- und Lesbengruppen zu einer Fachtagung zum Thema Diversity und Antidiskriminierungspolitik in die Behörde nach Düsseldorf eingeladen. Jetzt kommt heraus, daß das Innenministerium offenbar selber erheblichen Nachholbedarf in Sachen gleichgeschlechtliche Lebensweisen hat. Die von der Schwulenbewegung seit Jahrzehnten immer wieder thematisierten und von ihr entschieden bekämpften "Rosa Listen" scheinen in Zeiten von Homo-Ehe und rot-grüner Reformpolitik ein erstaunliches Comeback zu erleben. Das whk erinnert Polizei und Innenministerium daran, daß der jahrzehntelange Bespitzelung rechtfertigende Schwulenparagraph §175 seit gut einer Dekade wenn schon nicht ersatzlos, so doch zumindest formal abgeschafft ist. Männer haben, nur weil sie von der Polizei an traditionellen Homosexuellentreffpunkten kontrolliert werden, in Kriminalkarteien nichts zu suchen!
Nach Angaben von "Velspol" nutzt die nordrhein-westfälische Polizei seit einiger Zeiut ein von der bayrischen Polizei entwickeltes sogenanntes Vorgangs- und Verwaltungsprogramm namens "IGVP", in dem Verkehrsunfälle, Strafanzeigen, Ordnungswidrigkeitenanzeigen und Meldungen mit kompletten Datensätzen von Tätern, Geschädigten (!) und sogar zufällig anwesende Tatzeugen erfaßt werden. Dieses Programm ermöglicht laut Velspol "auch eine Recherche nach Tatörtlichkeit mit einem einzugebenden Zeitraum" also etwa danach, welche Personen sich beispielsweise nachts an bestimmten Homosexuellentreffpunkten aufgehalten haben und dort, etwa als Opfer eines antischwulen Überfalls oder als Zeuge eines solchen, mit der Polizei in Kontakt gekommen sind. "Velspol" vermutet sogar, daß mit dem Datenprogramm "Cruising areas ... erfaßt werden".
Wie "Velspol" mitteilt, können in einem in der Suchmaske des IGVP-Computerprogramms vorgegebenen Katalog unter der Schlüsselnummer 901 Angaben zum "Aufenthalt von Homosexuellen" an bestimmten Orten eingegeben werden. Ein "Strichplatz" werde mit dem Zahlencode 902 und der "Aufenthalt von Dirnen" mit dem Code 900 verschlüsselt. Das Programm sei nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern mit Bayern und Thüringen mindestens in zwei weiteren Bundesländern im Einsatz.
Das whk schließt sich ausdrücklich dem Befremden des "Velspol" an, der zu Recht fragt, "welches Interesse an der Speicherung von Örtlichkeiten besteht, an denen Dirnen oder Homosexuelle angetroffen wurden, zumal sich neutrale Speicherungsmöglichkeiten wie bspw. Gaststätte, Saunabetrieb, etc. im gleichen Katalog befinden und eine strafrechtliche Bewertung nicht mehr existiert."
Das whk wird es nicht hinnehmen, daß das NRW-Innenministerium bislang jegliche öffentlichen Stellungnahme zu diesen unglaublichen Vorgängen verweigert. Noch vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag muß Minister Behrens der lesbisch-schwulen Comminty eindeutig erklären:
Wer die Erfassung von mutmaßlich homosexuellen Männern, Strichern und "Dirnen", die sich an bestimmten Orten aufhalten, angeordnet hat und auf welcher rechtlichen Grundlage sie erfolgen.
Wie viele Personen und wie viele Datensätze unter den Codenummern 900, 901 und 902 seit wann gespeichert wurden.
Wer in der Landesregierung von dieser Datensammelpraxis gewußt und sie gebilligt hat.
Das whk fordert:
Die Polizei muß die Datensammlung über die sexuelle Identität von Bürgerinnen und Bürgern sofort einstellen.
Die in NRW, Bayern und Thüringen unter den Codemummern 900, 901 und 902 gesammelten Daten müssen unter Aufsicht des Datenschutzbeauftragten sofort gelöscht und den Betroffenen die Löschung ihrer Daten unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden.
- Die Landtage müssen die Schnüffelpraxis der Polizei untersuchen und einen öffentlichen Bericht erstellen.
Das whk wird in dieser Sache die jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten zum Tätigwerden auffordern. Bis zu einer umfassenden Stellungnahme des NRW-Innenministers fordert das whk lesbisch-schwule Gruppen auf, sämtliche Kontakte mit Landesbehörden einzustellen und die weitere Annahme von Landesgeldern zu verweigern. Sollten Innenminister Behrens und die rot-grüne Landesregierung die Intimschnüffelei nicht unverzüglich und noch vor der Landtagswahl am 22. Mai für beendet erklären, müssen Lesben und Schwule dazu beitragen, diese Landesregierung abzuwählen.
Rückfragen: 0180/4444945