whk1805/15.05.2005
Wieder ein Täter ohne Opfer?
Mann steht nach Sex mit 13jährigem Jungen wegen "schweren Kindesmißbrauchs" vor Gericht / whk fordert Freispruch
Das Amtsgericht München verhandelt derzeit gegen einen 45jährigen Mann, der beschuldigt wird, einen 13-Jährigen in einem Schwimmbad schwer sexuell mißbraucht zu haben. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):
Der derzeit vom Münchener Amtsgericht verhandelte Prozeß gegen einen des schweren sexuellen Mißbrauchs an einem 13jährigen Jungen beschuldigten Mannes offenbart die ganze Misere gegenwärtiger Sexualpolitik: Es geht unter Rot-Grün offenbar verstärkt um Repression und Kriminalisierung von Menschen, die auf eine Weise Sex miteinander haben, welche das momentan gültige Gesetzbuch per se als strafwürdig ansieht.
Ob etwa die beteiligten Partner den Sex ausdrücklich wollten und das angebliche Opfer sich selbst keineswegs als "sexuell mißbraucht" ansieht, spielt für Staatsanwälte und Richter kaum noch eine Rolle. Es scheint, als ob die Verschärfungen des Sexualstrafrechts in den vergangenen Jahren und nicht zuletzt die von bestimmten Medien forcierte, im Kern sexualfeindliche Hysterie um tatsächliche und vermeintliche Pädophile der Judiaktive immer öfter den Blick auf sexualwissenschaftliche Erkenntnisse verstellen. Die absurde, auf EU-Ebene betriebene und von Sexualwissenschaftlern zu Recht heftig kritisierte juristische Anhebung des Kindschaftsalters auf achtzehn (!) Jahre tut ein übriges dafür, daß jetzt selbst schon spontaner Gelegenheitssex im Schwimmbad von Staatsanwaltschaften ernsthaft als schwerer sexueller Kindesmißbrauch bewertet wird. Von einer an der Lebenswirklichkeit orientierten Fallgestaltung kann hier beim besten Willen keine Rede mehr sein.
Im vorliegenden Fall muß das Amtsgericht pikanterweise gegen einen 45jährigen Berufskollegen aus Tirol verhandeln. Der Beschuldigte, ein Richter, wird nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA des schweren sexuellen Mißbrauchs beschuldigt. Der promovierte Jurist soll demnach vor einem Jahr, am Pfingstsamstag 2004, in einem Schwimmbad in Bad Tölz "einen 13-jährigen Buben US-amerikanischer Nationalität auf einer Toilette zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben". Der Vorfall zwischen dem jungen US-amerikanischen Urlauber und dem Mann habe sich in einer Toilettenkabine des Erlebnisbades "Alpamare" in Bad Tölz abgespielt.
Der Junge sei, so zitiert APA den Angeklagten, "initiativ, aktiv und sexuell erfahren gewesen". Auch habe er den Buben für "deutlich älter als 13 gehalten". Die Verteidigung hat dazu unter Vorlage eines Fotos des Jugendlichen einige hundert Passanten nach dessen wahrscheinlichem Alter gefragt. Die Angaben seien bis zu 21 Jahren gegangen, betonte Verteidiger Wolfgang Dingfelder. Sexuelle Handlungen sind außerhalb von Abhängigkeitsverhältnissen nur mit noch nicht 14-Jährigen strafbar.
Nach Ansicht des whk spricht vieles dafür, daß es sich bei dem 13-Jährigen um einen schwulen Jungen in der (homo-)sexuellen Selbstfindungsphase handelt. Weder er noch seine Eltern haben den seither vom Dienst suspendierten Richter angezeigt. Den Strafantrag hatten die Verantwortlichen des "Alpamare" gestellt. Kaum überraschend ging selbst das Münchner Amtsgericht bei der Verhandlung am gestrigen Freitag von bereits vorhandenen sexuellen Erfahrungen des Jugendlichen aus. Wie APA berichtet, nehme das Gericht "nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht an", daß "die Initiative zu den sexuellen Handlungen allein von dem Angeklagten ausging".
Die Vermutung des whk, daß es sich bei dem Jungen um einen Schwulen im Coming out handeln könnte, wird durch den Hinweis von APA bestärkt, daß "zwei Tage nach dem Vorfall ein Mitarbeiter des Bades einen Buben in der Sauna beim Onanieren erwischt" habe. Laut der Agentur entsprach "die Beschreibung dem Aussehen des 13jährigen Amerikaners." Angesichts des für den 24. Juni vorgesehenen Urtielsspruchs unterstützt das whk die Absicht der Verteidigung, auf Freispruch zu plädieren. Völlig zu Recht hatte Verteidiger Dingfelder am Rande des Prozesses geäußert, nicht alles, was als unmoralisch angesehen werde, sei auch strafbar. Nach Ansicht des whk wäre eine Verurteilung des Angeklagten ein verheerendes rechtsstaatliches Signal nicht zuletzt an die Schwulenbewegung. Spontaner Sex im Schwimmbad, ob homo- oder heterosexuell, gehört doch wohl immer noch zum erotischen Standard-Spaßprogramm sexuell aktiver Bundesbürger und hat außer die Beteiligten allenfalls noch übereifrige Bademeister zu interessieren, nicht aber Gerichte.
Mit Sorge beobachtet das whk, daß es in den letzten Monaten in allen Winkeln der Republik zu ähnlichen Anklagen kam. Es fällt auf, daß es sich dabei meist um Fälle konsensualer gleichgeschlechtlicher Begegnungen handelt. So wurde unlängst in Düsseldorf ein Mann wegen angeblichen sexuellen Mißbrauchs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Mann war eine Beziehung (!) zu seinem Patenkind eingegangen, nachdem der Junge sich in den Mittvierziger verliebt hatte. Im Münsterland wurde ein Mann wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt, weil er beim Verkehr mit Bahnhofsstrichern angeblich keine Kondome (!) benutzt hatte.
Als sexualpolitische Organisation wird das whk die weitere Entwicklung nicht nur im Münchner Fall aufmerksam verfolgen. Das whk fordert die schwule Szene und vor allem schwule Juristen auf, nicht länger ängstlich zu schweigen, wenn schwule Männer wegen angeblicher Mißbrauchstaten vor Gericht stehen.
Rückfragen: 0162-6673642 (Dirk Ruder)