whk0400/3. 4. 2000
"Eine sinnlose und überflüssige Ordinärheit"
Am 21. März druckte die tageszeitung den Artikel "Der Jörg will eh bloß kuscheln" ab, der sich fast ausschließlich den vermeintlichen homosexuellen Neigungen des österreichischen Neofaschisten Jörg Haider widmet. Am 31. März hat das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) gegen diese sexuelle Denunziation Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt.
In der Beschwerde begründet dies whk-Freundin Eike Stedefeldt mit einer "schwerwiegenden Verletzung des Pressekodex". Jene Regeln für einen fairen Journalismus seien grob mißachtet worden, denn an Haiders sexuellen Neigungen könne keinerlei legitimes öffentliches Interesse bestehen. Ferner verletze der Artikel Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter, indem angebliche Intimpartner Haiders namentlich genannt werden. Überdies verwende der Autor Schlüsselbegriffe, die seit Jahrzehnten typisch sind für die Abwertung homosexueller Menschen.
Die sexuelle Denunziation sei für die gebotene scharfe Auseinandersetzung mit Haiders politischen Zielen verheerend, da eher das Gegenteil dessen erzeugt wird, was sie vorgibt: nämlich eine Solidarisierung mit dem sexuell Denunzierten", so die Eingabe. Weitaus gefährlicher sei jedoch, daß sie "dem latenten Haß auf eine Minderheit Nahrung gibt, indem sie das Stereotyp vom 'homosexuellen Nazi'" wiederbelebe. Der Pressekodex verbiete aber die Diskriminierung einer sozialen Gruppe.
Das whk erinnert daran, daß die Konstruktion eines Sachbezugs zwischen Homosexualität und Faschismus bereits 1931in eine die gesamte Minderheit in Kollektivhaft nehmende Pressekampagne gemündet sei. Damals habe die Münchner Post den SA-Chef Ernst Röhm in ähnlicher Weise bloßgestellt. Klaus Mann habe dies als "sinnlose und überflüssige Ordinärheit" verurteilt.
Wegen der "politisch katastrophalen Signalwirkung" ersucht das whk den Deutschen Presserat um eine öffentliche Rüge der tageszeitung.