whk0304/03.03.2004
Schwules Cruising bald "Beginn einer kriminellen Karriere"?
Regierung und Opposition planen genetische Totalerfassung suspekter Bundesbürger mittels DNA-Analyse
Nach dem Willen von Koalition und Opposition soll künftig jeder Bundesbürger bei der erkennungsdienstlichen Behandlung seine Speichelprobe für die Verbrecherdatei des Bundeskriminalamts abgeben müssen. Bislang ist dies laut Gesetz nur auf richterliche Anordnung und bei begründetem Verdacht auf eine schwere (Sexual-)Straftat erlaubt. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Die im vergangenen Sommer vorgenommene Verschärfung des Sexualstrafrechts hat bei Regierung und Opposition offenbar nicht für ausreichende Triebabfuhr gesorgt: In seltener Einmütigkeit zeigen sich rot-grüne Regierung und konservative Opposition nun entschlossen, mit der Konstruktion weiterer Delikte die gesetzliche Grundlage für eine Totalerfassung aller sexuell oder sonstwie verdächtigen Bundesbürger in den Datenbanken des BKA zu schaffen. Mit Entsetzen registriert das whk, daß die geplante Ausweitung der DNA-Analyse unter dem Deckmantel der Terror- und Verbrechensbekämpfung auch eine flächendeckende polizeiliche Registrierung sexueller Abweichlern ermöglicht. Damit würde die rot-grüne Bundesregierung ein System schaffen, das beispielsweise die jederzeitige Erfassung von Männern ermöglicht, welche sich an traditionellen Schwulentreffpunkten aufhalten.
So findet der derzeitige Vorstoß der grünen Bundestagsfraktion, die DNA-Analyse "rechtlich sauber" dem Fingerabdruck gleichzusetzen, bereits Beifall bei den Hardlinern der Landeskriminalämter. Angesichts der bündnisgrünen Initiative im Bundestag erklärte der nordrhein-westfälische Innenministers Fritz Behrens (SPD) am gestrigen Dienstag, es müsse der Polizei künftig möglich sein, DNA-Proben nicht nur beim Verdacht auf eine schwere Straftat, sondern vielmehr von jedem tatverdächtigen Bundesbürger, zu nehmen, der erkennungsdienstlich behandelt werde. Tatverdächtig können nach dieser Logik alle sein, die mit der Polizei irgendwie, irgendwo und irgendwann in Kontakt kommen. Denn, so Behrens, "die DNA-Analyse hilft der Polizei, immer mehr Kriminelle hinter Gitter zu bringen, die früher unentdeckt geblieben wären".
Bislang unentdeckt gebliebene sexuelle Abweichler würde die Legalisierung solcher Datensammelwut mehr denn je dem Generalverdacht eines potentiellen Sexualverbrechens aussetzen. Was dies etwa für schwule Männer bedeutet und auch heterosexuelle Männer, die Sex mit Männern suchen, hat die Polizei bereits am 26. Februar 2001 bei einer Großrazzia in der Hamburger Homokneipe "Wunderbar" anschaulich demonstriert. Bei dem angeblich zur Ergreifung eines Homosexuellenmörders durchgeführten Einsatz waren mindestens 350 mutmaßlich schwule Männer erkennungsdienstlich behandelt und zur "freiwilligen" Abgabe von Speichelproben genötigt worden. Da die Entnahme solcher Proben künftig ohne Richterbeschluß möglich sein soll und ohne, daß eine schwere Straftat vorliegt, könnte die Polizei in Zukunft damit praktisch in jeder Stadt und an jedem Wochenende beliebig viele Razzien in der Homoszene vornehmen. Auch bei CSD-Paraden könnte die Polizei jederzeit Teilnehmer zu DNA-Speichelproben für die Sexverbrecherdatei zwingen: ein bloßer "Verdacht" genügt.
Schon seit einiger Zeit geben in der Debatte die Rechtsaußen von CDU/CSU einer allseits willigen rot-grünen Koalition den Ton vor. Opposition und Regierung sind sich schon länger einig, daß die Beschränkung auf Straftaten von erheblicher Bedeutung für die DNA-Analyse "zu eng" sei. Mit ausdrücklichem Verweis aufs Sexualstrafrecht fordert deshalb der von "Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion" am 9. Dezember 2003 im Parlament vorgelegte Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksache 15/2159), die Speichelprobe "zu präventiv-polizeilichen Zwecken" auch bei "gewohnheitsmäßig Handelnden" anzuwenden, die noch gar keine Straftat begangen haben. Völlig legal wäre so eine vorbeugende Erfassung von Personen möglich, die nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.
Können gewohnheitsmäßig im Park cruisende Schwule aufgrund der Rechtslage schon heute wegen Exhibitionismus belangt werden, wird offensichtliche "Wiederholungsgefahr" ihnen nach dem Willen von CDU/CSU künftig den "Beginn einer kriminellen Karriere" attestieren, "an deren Ende schwerste Straftaten stehen können". Die CDU/CSU glaubt nämlich allen Ernstes, "daß auch bei Tätern niedrigschwelliger Sexualdelikte wie exhibitionistischer Handlungen (§ 183 StGB) mit erneuten Straftaten und dabei häufig auch mit einer Straffälligkeit im Bereich gravierender Sexualdelikte zu rechnen ist" - irgendwie, irgendwo, irgendwann, wohlgemerkt. Noch weniger Skrupel zeigen diesbezüglich CSU-Abgeordnete, die schon vor drei Jahren forderten, für rückfällige Spanner und Exhibitionisten solle als Strafe auch eine "chemische Kastration" in Betracht kommen.
Das whk ruft nicht nur Cruiser auf, den schwarz-rot-grünen Maßnahmenkatalog und seine kastrationswütigen Propagandisten zu stoppen.