whk0206/18.01.2006
Hauptsache, die Tochter ist pervers
Närrisches Treiben in Köln geht wieder los: Schwules Netzwerk NRW will Preis an SPD-Bundessozialminister Franz Müntefering verleihen wegen lesbischer TochterNach heutigen Presseberichten plant der aus Landesmitteln geförderte Selbsthilfeverband Schwules Netzwerk Nordrhein-Westfalen in Köln den derzeitigen SPD-Vizekanzler und Bundessozialminister Franz Müntefering mit der Kompaßnadel des Netzwerks auszuzeichnen. Hierzu erklärt das whk Rheinland:
Schenkelklopfen in Köln: Pünktlich zur diesjährigen Karnevalssaison im Rheinland hat sich das Schwule Netzwerk Nordrhein-Westfalen die Narrenkappe übergezogen und torkelt besoffen durch die Szene. Wie die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" heute unter Berufung auf die Nachrichtenagentur ddp meldet, erwägt der in Köln ansässige Homo-Dachverband, den früheren Landes- und derzeitigen Bundessozialminister Franz Müntefering (SPD) mit der sogenannten Kompaßnadel des Schwulen Netzwerks auszuzeichnen. Der Preis soll am 15. Juli während eines gemeinsamen Empfangs mit der AIDS-Hilfe NRW am Vorabend des Kölner CSD übergeben werden. Die Wahl des Preisträgers begründet das Netzwerk mit Münteferings "selbstverständlichem Bekenntnis" zu seiner lesbischen Tochter. Außerdem habe Müntefering erfolgreich zu einem "Klimawandel" in Sachen Toleranz gegenüber Homosexuellen beigetragen.
Ein Blick auf die Homepage des Netzwerks zeigt, daß es sich bei der Pressemeldung keineswegs um eine plumpe Fälschung zur Diskreditierung der lesbisch-schwulen Szene in der politischen Öffentlichkeit handelt. Nach Ansicht des Netzwerks sei Müntefering ein "überzeugendes Vorbild für seine Kolleginnen und Kollegen in der europäischen Politik". Als Landessozialminister habe er "die aktive Minderheitenpolitik für Lesben und Schwule regelmäßig auf die Tagesordnung in NRW gesetzt". Müntefering sei "ein Mann der ersten Stunde".
Doch was wäre der dröge Sauerländer ohne seine charismatische Tochter: "Vielleicht ist dem Vizekanzler gar nicht bewußt, wie sehr er mit seinem selbstverständlichen Bekenntnis zu seiner Tochter als Person des öffentlichen Lebens andere Eltern ermutigt, sich offen zu ihren lesbischen Töchtern und schwulen Söhnen zu bekennen und familiäre Beziehungsabbrüche zu verhindern", so der Verband. Das Netzwerk schließe deswegen "ausdrücklich auch Münteferings Auftreten als Familienvater (!) mit in die Ehrung ein". Daß das Netzwerk Müntefering explizit für die Zeugung einer lesbischen Tochter ehrt, stellt nach Ansicht des whk eine neue Dimension im wuchernden devoten Auszeichnungswesen der lesbisch-schwulen Szene dar, die wie vor hundert Jahren noch jedem ins Rektum kriecht, der Homosexuelle nicht gleich totschlägt.Wohin die politische Kompaßnadel des Geehrten weist, ist dem familienfreundlichen Schwulen Netzwerk offenbar etwas aus dem Blick geraten. Unbestreitbar hat Franz Müntefering als SPD-Generalsekretär und Parteivorsitzender jene kaltschnäuzige Zerschlagung des Gesundheits- und Sozialsystems der im Herbst 2005 nicht zuletzt deshalb abgewählten rot-grünen Bundesregierung mitzuverantworten, von der AIDS-Kranke und HIV-Infizierte ebenso dramatisch betroffen sind wie Homosexuelle ohne festen Job und Ausbildungsplatz. Es ist nicht bekannt, daß Müntefering gegen diesen die Armut um Lande meßbar und fühlbar verschärfenden Kurs auch nur einen Hauch von Abneigung oder Opposition gezeigt hätte. Vom jetzigen Bundessozialminister sind zweifellos weitere drastische Maßnahmen zu befürchten.
Selbst aus der Sicht des homopolitischen Mainstreams gibt Müntefering kaum die Figur für einen Helden der Homoszene ab. Schließlich war es einmal mehr die von ihm geführte SPD, die mit der halbseidenen Eingetragenen Lebenspartnerschaft und dem Antidiskriminierungsgesetz den Erfolg politischer Projekte der Homo-Bürgerrechtsszene sorgsam vereitelt hat. Einen solchen Mann auch noch mit einem Homo-Preis zu bedenken, hält das whk selbst gegenüber der braven Klientel des Schwulen Netzwerks für zynisch und heuchlerisch.
Verständlich wird die Auszeichnung Münteferings wohl nur vor dem Hintergrund der derzeit debattierten Mittelkürzung für die schwul-lesbische Szene durch die amtierende Düsseldorfer CDU-Regierung, die eine existenzbedrohende Einsparung von 80 Prozent der für das Netzwerk bislang bereitgestellten Landesförderung vorsieht. Die Absichten der Landesregierung gedenkt das Netzwerk nun offenbar damit zu bekämpfen, daß es sich an einen Familienvater aus der SPD-Führung heranmacht. Die Kompaßnadel für Franz Müntefering stellt somit den immerhin spektakulären Versuch des Schwulen Netzwerks dar, mit politischem Selbstmord das eigene Leben zu retten.
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