An den
Polizeipräsidenten
Herrn Klaus Steffenhagen
Walter-Pauli-Ring 2-4
51103 Köln-Kalk14. 01. 2005
Anti-Gewalt-Report 2004 des "Schwulen Überfalltelefons Köln 19228" / Vorfälle mit möglichem rechtsradikalen Hintergrund innerhalb der Kölner Polizei
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,am gestrigen Donnerstag veröffentlichte das vom nordrhein-westfälischen "Lesben- und Schwulenverband in Deutschland" (LSVD) betriebene "Schwule Überfalltelefon Köln 19228" seinen Anti-Gewalt-Report für das vergangene Jahr 2004.
In dem im Internet vollständig unter www.koeln19228.lsvd.de/ DOKUMENTATION/ AG-Bericht_2004.htm nachzulesenden Report konstatiert das mit Landesmitteln geförderte Projekt auch für das vergangene Jahr eine weitere Verschlechterung im Verhältnis von schwuler Anti-Gewalt-Arbeit und Kölner Polizei.
So heißt es in dem Bericht auf Seite 12: "In den Bereichen der Verbesserung der Verbrechensaufklärung, Effektivierung der General- wie Spezialprävention im Bereich antischwuler Gewalt müssen wir strukturelle Rückschritte auf Seiten der (Kölner) Polizei feststellen." Im Hinblick auf das einst bundesweit als richtungsweisend angesehene "Kölner Modell" heißt es dort weiter: "Während die (Kölner) Polizei Ende der 90er Jahre an Aus- und Fortbildungen zu lesbisch-schwulen Lebensformen und antihomosexueller Gewalt teilnahm ist dieser Ansatz landesweit und auch in Köln seit 2001 'eingeschlafen'."
Insgesamt, so stellt das Überfalltelefon fest, habe die "strukturelle Zusammenarbeit" zwischen lesbisch-schwuler Community und Polizei Köln "Schaden genommen".
In diesem Zusammenhang zitiert das Schwule Überfalltelefon, ebenfalls auf Seite 12 des Reports, "besorgniserregende Berichte" von der Internetseite www.velspol-nrw.de. Demnach seien auf der von der nordrhein-westfälischen "Vereinigung lesbischer und schwuler Polizeibediensteter" (VelsPol e.V.) betriebenen Seite im vergangenen Jahr gewisse Vorgänge innerhalb der Kölner Polizei kommentiert worden. Die entsprechenden Einträge stammen vermutlich von homosexuellen Polizeibeamten und/oder VelsPol-Mitgliedern.
Nach Angaben des Anti-Gewalt-Reports lautet eine dort getätigte Stellungnahme wörtlich: "Welches Gedankengut dort herrscht (ausgerechnet in Köln) hat mich doch arg schockiert. Da wird davon geschwärmt, dass man die Schwulen damals vom Timp' bis in die Wache geprügelt hat, da Schwulsein ja ein Straftatbestand war. Daß alle Schwulen widerlich seien und es doch unglaublich sei, daß es so was wie den CSD überhaupt geben kann."
Es wird Sie, Herr Polizeipräsident, sicher nicht überraschen, wenn sich das whk als traditionsreiche und bundesweit agierende Vereinigung der homosexuellen Szene vorbehaltlos der Feststellung des Schwulen Überfalltelefons anschließt, durch die Äußerungen des namentlich ungenannten Kriminalbeamten komme eine Haltung "aus der für Homosexuelle lebensbedrohlichsten Phase Deutschlands" zum Ausdruck. Es handelt sich dabei bekanntlich um jene "Phase", die das "Dritte Reich" in Form des in der Nazi-Fassung fortbestehenden Schwulenparagraphen § 175 um mehr als zwanzig Jahre überlebte.
Viel bedenklicher erscheint uns jedoch und dies ist der eigentliche Grund unseres Schreibens die Beschwerde, mit der sich ein User der VelsPol-Internetpräsenz über Vorgänge in der Kölner Polizei äußert. Das Überfalltelefon zitiert diese Beschwerde folgendermaßen: "Auch fand ich es nicht unbedingt passend, [daß] Marschlieder aus dem Dritten Reich angesungen wurden."
Im Anti-Gewalt-Report wird dazu vom Überfalltelefon festgestellt: "Wir hoffen, daß dies wie gerne behauptet wird alles nur Einzelfälle sind. Daß dies jedoch nicht aus einem alten Anti-Gewalt-Bericht über die Kölner Polizei der Vergangenheit stammt, sondern aus einem Bericht aus dem Jahr 2004 sollte politisch und personell bei der Polizei Verantwortliche hellhörig werden lassen."
Für das whk, sehr geehrter Herr Polizeipräsident, sind die vom Schwulen Überfall dargestellten Vorgänge aus ihrer Behörde sollten sie in dieser Form zutreffen nicht hinnehmbar.
Wir gehen davon aus, daß Sie die Veröffentlichung des Anti-Gewalt-Reports 2004 zum Anlaß nehmen, unverzüglich zu untersuchen, ob und bei welcher Gelegenheit sich Beamte mit dem Absingen von "Marschliedern aus dem Dritten Reich" möglicherweise im Dienst strafbar gemacht haben. Sollte dies zutreffen, werden Sie sicherlich beabsichtigen, entsprechende disziplinarische und personelle Maßnahmen einzuleiten.
Das whk hat die Veröffentlichung des Kölner Anti-Gewalt-Reports heute zum Anlaß für eine entsprechende Pressemitteilung genommen.
Wir wären Ihnen daher sehr verbunden, wenn Sie sich als Leiter der Kölner Polizei zu den dargestellten Vorgängen unmißverständlich gegenüber der Schwulenszene äußern könnten. Auch wären wir Ihnen für eine Mitteilung darüber dankbar, wie Ihre Behörde das derzeitige Verhältnis von Polizei und Schwulenszene beurteilt, und welche Entwicklungschancen sie dem "Kölner Modell" für die nächsten Jahre einräumt.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Ruder
Sprecher des whk Rheinland