Zum Tode von Andreas Meyer-Hanno

Das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk) trauert um sein an den Folgen von AIDS verstorbenes Fördermitglied

Am 7. September 2006 verstarb Professor Dr. phil. Andreas Meyer-Hanno im Alter von 74 Jahren in einem Krankenhaus in Frankfurt am Main. Damit vollendete sich das Leben eines herausragenden Vertreters der Zweiten deutschen Schwulenbewegung.

Den Lebensweg und die politische Vita des Sohnes einer Berliner Künstlerfamilie – seine Mutter Irene Meyer-Hanno (geb. Sager) war Pianistin, der Vater Hans Meyer-Hanno Schauspieler – prägten frühe Erfahrungen im Nationalsozialismus: Wegen der Herkunft der Mutter wurde der Junge gemäß der NS-Rassenideologie zum "Halbjuden" abgestempelt. Wie der bei den Gruppen "Rote Kapelle" und "Revolutionäre Arbeiter und Soldaten" aktive Vater, ein Kommunist, nahm auch sie am antifaschistischen Widerstand teil. Die Gestapo nahm Hans Meyer-Hanno erstmals 1943 auf der Bühne des Berliner Schillertheaters fest und am 22. Juli 1944 erneut in Haft, 1945 wurde er im Zuchthaus Bautzen ermordet.

Diese Diskriminierungserfahrungen fanden für Andreas Meyer-Hanno ihr Echo in der postnazistischen Bundesrepublik mit ihrem zum größten Teil aus der Nazi-Zeit übernommenen Beamten- und Justizapparat sowie dem in der verschärften NS-Fassung weiter geltenden und massenhaft angewandten Schwulenparagraphen 175 des Strafgesetzbuchs. In jener Zeit bot allenfalls der Kulturbetrieb homosexuellen Männern ein gewisses Refugium, so auch dem studierten Musik- und Theaterwissenschaftler sowie promovierten Opernregisseur ab 1956 in Wuppertal und ab 1964 in Karlsruhe. Nach vierjährigem Engagement am Staatstheater Braunschweig – in dieser Stadt hatte er 1973 eine der ersten Homosexuellengruppen der Bundesrepublik, die Homosexuelle Aktion Braunschweig (HAB), mitgegründet – erhielt er 1976 einen Ruf an die Frankfurter Musikhochschule.

In der hessischen Metropole setzte "Hannchen", wie er sich von seinen Freunden nennen ließ ("Hannchen ist sächlich!") sein politisches Wirken im Schwulenzentrum "Anderes Ufer", später dem Lesbisch-schwulen Kulturhaus und beim Tuntenensemble "Die Maintöchter" fort. Im Jahre 1980 initiierte er den Verein Homosexuelle Selbshilfe (HS e.V.), der zunächst insbesondere Rechtshilfe und soziale Betreuung für weiterhin nach dem §175 verfolgte und inhaftierte Männer organisierte und heute vorwiegend Projekte aus der Lesben- und Schwulenszene finanziell fördert. Als "Schwester" der HS e.V. gründete er 1991 die gemeinnützige Hannchen-Mehrzweck-Stiftung (HMS), in die er nahezu sein gesamtes Privatvermögen fließen ließ. Auch der "Frankfurter Engel", das 1994 errichtete Denkmal für die homosexuellen NS-Opfer an der Schäfergasse (heute Klaus-Mann-Platz), geht auf sein maßgebliches Betreiben zurück.

Als Aktivst, der die Anfänge der AIDS-Krise und ihre drastischen gesundheitlichen Konsequenzen wie politischen Bedrohungen für schwule Männer – Stichwort "Zwangsmaßnahmenkatalog" – miterlebte, ging Andreas Meyer-Hanno schon früh offensiv mit seiner eigenen HIV-Infektion um und thematisierte sie als "long time survivor" auch im Rahmen seiner Vortragstätigkeit, die er seit den 90er Jahren intensivierte.

Im Jahr 2000 trat Andreas Meyer-Hanno als Fördermitglied dem wissenschaftlich-humanitären komitee (whk) bei. Sein besonderes Anliegen galt hierbei der Existenzsicherung des wichtigsten Projektes des whk, des sexualpolitischen Magazins "Gigi", dessen materielle Basis er mit beträchtlichen jährlichen Überweisungen zu festigen half – sogar noch im Bewußtsein seines nahen Todes.

Rückfragen: 0180/4444945

Nachtrag: Die Urnenbeisetzung findet am 4. November 2006 um 13 Uhr auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof, Großgörschenstraße 12-14 in Berlin-Schöneberg, statt. Dorthin gelangt man am günstigsten mit der U-Bahn (Linie 7) sowie der S-Bahn (Station Yorckstraße). Die Grabstelle befindet sich vom Hauptweg des Friedhofs aus betrachtet rechter Hand, und zwar wenige Schritte entfernt vom Grab der Gebrüder Grimm.