Mitteilungen des whk Juli/August 2005
Im Erlebnisbad (1)
Eine Gerichtsverhandlung wegen schweren Kindesmißbrauchs kommentierte das whk am 15. Mai in der Pressemitteilung Wieder ein Täter ohne Opfer?. Angeklagt stand vorm Amtsgericht München ein 45jähriger Mann, der in einem Schwimmbad Sex mit einem 13-Jährigen hatte. Nach Ansicht des Komitees offenbare der Prozeß die ganze Misere gegenwärtiger Sexualpolitik: Es geht unter Rot-Grün ... verstärkt um Repression und Kriminalisierung von Menschen, die auf eine Weise Sex miteinander haben, welche das momentan gültige Gesetzbuch per se als strafwürdig ansieht. Ob die beteiligten Partner den Sex ausdrücklich wollten und das angebliche Opfer sich selbst keineswegs als mißbraucht ansehe, spiele kaum noch eine Rolle. Laut Presseberichten wird dem Beschuldigten ein promovierter Jurist vorgeworfen, am Pfingstsonnabend 2004 im Erlebnisbad Alpamare in Bad Tölz einen 13jährigen Buben US-amerikanischer Nationalität zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Der Vorfall habe sich in einer Toilettenkabine abgespielt, das Gericht war laut APA überzeugt, die Initiative sei nicht allein von dem Angeklagten ausgegangen. Für das whk spreche vieles dafür, daß es sich bei dem 13-Jährigen um einen schwulen Jungen in der (homo-) sexuellen Selbstfindungsphase handelt, zumal er zwei Tage nach dem Vorfall von einem Mitarbeiter des Schwimmbades erneut beim Onanieren entdeckt wurde. Nicht die Eltern des Jungen, sondern die Betreiber des Schwimmbads hatten die Anzeige erstattet, weshalb das whk Freispruch forderte. Das Urteil wurde für den 24. Juni (nach Redaktionsschluß) erwartet.
Im Erlebnisbad (2)
Starke Resonanz erfuhr die whk-Pressemitteilung zum Rosa-Listen-Skandal bei den Polizeien von Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bayern. Nach detaillierten Hinweisen des Vereins lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) war Mitte Mai bekanntgeworden, daß Länderpolizeien mehr als zehn Jahre nach formaler Abschaffung des berüchtigten Schwulenparagraphen §175 offenbar immer noch routniemäßig Homosexuelle und ihre Aufenthaltsorte erfassen. Das schwule Internetportal Queer.de berichtete am 19. Mai: Reagiert hat ... bislang nur das linksgerichtete wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk), das den Vorfall nach der Pressemitteilung des VelsPol zuerst publik machte ... Eine Löschung der Daten unter Aufsicht des Datenschutzbeauftragten samt Benachrichtigung der Betroffenen, eine Untersuchung des NRW-Landtages und eine Überprüfung durch die drei Landesdatenschutzbeauftragten verlangt das whk ebenso wie Druck von lesbisch-schwulen Gruppen. Die Tageszeitung Neues Deutschland schrieb am 24. Mai: In der Lesben- und Schwulenszene löste (die) polizeiliche Praxis ... Entsetzen aus. Das links-alternative whk forderte umgehend das Ende der Intimschnüffelei bei unbescholtenen Bürgern und die sofortige Löschung der Daten. Auch solle geklärt werden, wie viele mutmaßlich homosexuelle Personen und wie viele Datensätze seit wann gespeichert wurden. Bereits am 21. März hatte VelsPol vom NRW-Innenministerium die ersatzlose Löschung der Daten verlangt, die das Ministerium schließlich Ende Mai allerdings wenig glaubwürdig bestätigte. Während VelsPol die Landesdatenschutzbeauftragten einschaltete, nannte der Arbeitskreis lesbischer und schwuler Jusitzbediensteter (AlsJub) die vermutlich illegale Erfassungspraxis nur auch verfassungsrechtlich bedenklich.
Im Erlebnisbad (3)
Besorgnis erregt die geplante Ausweitung der DNA-Analyse in der Homoszene nach wie vor nur beim whk. Am 16. Mai erklärte das Komitee: Aus sexualpolitischer Sicht ist die ... Ausweitung der DNA-Analyse als ein wahrer Horrorkatalog zu bewerten. Die Äußerung von SPD-Bundesjustizministerin Zypries bei der Vorstellung des Koalitionsentwurfs Wir speichern heute Genmaterial von Leuten, von denen wir annehmen, daß sie zukünftig Straftaten begehen werden, läßt erahnen, wohin die Reise geht: Wer morgens aus dem Bett steigt oder nicht allein in einem verschwindet, hat sich schon verdächtig gemacht. Das whk monierte insbesondere die ausufernde Datenspreicherung und einen im Entwurf nicht näher definierten sexuellen Bezug von Straftaten, der laut whk durch die Polizei jederzeit ohne weiteres konstruiert werden könne.
Im Erlebnisbad (4)
Den vom schwulen Internetportal etuxx.com initiierten Aufruf Vielfältig statt Einfältig Queer gegen Rechts zur Verhinderung des Berliner Nazi-Aufmarschs am 8. Mai unterstützen neben zahlreichen Gruppen und Einzelpersonen der Szene auch whk und Gigi. In dem Aufruf heißt es unter anderem: Sechzig Jahre nach der Niederlage des Faschismus und der Befreiung Berlins durch die Rote Armee wollen Neonazis in Berlin aufmarschieren. Ihr Ziel ist es, diesen öffentlichen Auftritt ... zu einer der größten Nazidemonstrationen seit der Zerschlagung des Faschismus zu machen. Ganz in der Tradition der SA planen sie, durch das Brandenburger Tor zu marschieren. Möglich wurde dies, weil Rassismus, Antisemitismus und der Haß auf das Andere in Deutschland wieder salonfähig geworden sind. In einigen Kleinstädten und Dörfern dominieren Neonazis und rechte Propaganda das öffentliche Klima ... Mit den Parolen Volksgemeinschaft statt Klassenkampf und Arbeit zuerst für Deutsche betreiben die Nazis ihre soziale Demagogie, die an Vorstellungen anknüpft, die in der Mitte der Gesellschaft bereits weit verbreitet sind. Dem wollen wir entgegentreten ... Geht auf die Straße und beteiligt Euch bunt und vielfältig an dem Widerstand dagegen!
Im Erlebnisbad (5)
Für eine Schrecksekunde beim Komitee sorgte im Mai die von Bundespräsident Horst Köhler schon im Februar vorgenommene Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande an den Berliner whk-Aktivisten Ortwin Passon. Einen Tag vor der erwarteten Aushändigung ermunterte die Berliner whk-Gruppe Passon per Pressemitteilung, sich nicht politisch korrumpieren zu lassen und den obskuren Orden der Beliebigkeit abzulehnen. Als politischer Affront erscheint eine solche Verleihung auch vor dem Hintergrund dessen, welche Homosexuellen zuvor mit diesem Kreuz geschlagen wurden: Es waren durchweg brave, staatstreue Bürgerschwule. Erinnert sei daran, daß etwa der grüne Musterschwule Volker Hero Beck es am 4. Oktober 2002 bei derselben Zeremonie annahm, bei welcher der Endokrinologe Günter Dörner sogar das Große Verdienstkreuz erhielt, der weltweit im Zwielicht steht wegen seiner Rattenversuche mit dem Ziel der Eliminierung der Homosexualität durch Eingriffe ins Gehirn.
Keine vierundzwanzig Stunden später konnte das Komitee erleichtert Entwarnung geben: Ortwin Passon läßt Verdienstkreuz am Bande zurückgehen. Den Ausschlag dafür habe laut whk offenbar eine inzwischen von der Website der Landesregierung entfernte Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 30. Mai gegeben, die rufschädigende Falschbehauptungen enthielt und über deren Inhalt der Geehrte nicht informiert worden war. Dem Vernehmen nach hatte die Absicht, einen whk-Aktivisten für sein sexualpolitisches Engagement, darunter explizit jenes als Gigi-Redakteur, zu würdigen, auch Unmutsäußerungen aus der bürgerlichen Homosexuellenszene provoziert und zu Nachfragen der Boulevardpresse im Büro der Senatorin geführt. Passons Redakteurstätigkeit kam denn auch in der Rede der Senatorin nicht vor. Während die sonst jedes Bundesverdienstkreuz wie einen Wahlsieg feiernde Homopresse den Vorgang verschwieg, dokumentierte die Tageszeitung junge Welt die ungewöhnliche Rede auszugsweise am 3. Juni (vgl. ausführliche Dokumentation in Gigi Nr. 38, Seite 40).