Mitteilungen des whk Juli/August 2003
Die alten Methoden (1)
Muttertag für Tante Magnesia betitelte die Berliner Regionalgruppe des whk am 11. Mai 2003 eine Presseerklärung. Weil die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (MHG) MHG ihr Idol Hirschfeld mit Internetlinks zu einer antisemitischen Website ehrte, sah die Gruppe dringenden Erklärungsbedarf. Bedenklich seien Informationen über Verbindungen der MHG zu antisemitischen Strukturen: Nach einer heute an die Presse verteilten Information des Berliner Instituts für Faschismus-Forschung und Antifaschistische Aktion (BIFFF e.V.) kooperiert die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft bei der Erforschung der Geschichte des Instituts für Sexualwissenschaft mit Partnern, die rechtsextremes Gedankengut propagieren. Das whk zitiert Angaben des BIFFF, nach denen die MHG eng mit der Gesellschaft für Allgemeine und Integrative Psychotherapie Deutschland (SGIPT) verbunden sei, einer Gruppe von extremen Antisemiten aus Süddeutschland, die laut MHG jedoch wertvolle Arbeit zur Erforschung des Hirschfeld-Instituts geleistet habe. Auf der Internetseite der SGIPT sei, so whk und BIFFF, vom Weltjudentum die Rede, das die Deutschen konditioniert habe, damit diese wegen des Holocaust immer weiter Geld an Israel bezahlen müßten. Die SGIPT zitiere auch die neofaschistische Ideologin Sigrid Hunke aus dem neurechten Thule-Seminar als eine ihrer Quellen. Diese Links tauchten gleich mehrfach auf der Website der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft auf. Ferner wurden sie in die von der MHG via Internet und Buchhandel vertriebene CD-ROM zu Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft eingefügt mit dem Hinweis, dort seien weiterführende Informationen zu den Forschungen der MHG über das IfSw zu finden. Das whk, das die Existenz dieser Links überprüft hatte, erinnerte daran, daß die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft für sich reklamiert, eine Interessenvertretung vor allem homosexueller NS-Opfer zu sein, insbesondere hinsichtlich deren Entschädigung. Vor diesem Hintergrund werfen die jetzt bekannt gewordenen Fakten abermals Fragen nach der Seriosität der MHG auf. Der MHG-Vorstand sollte daher umgehend erklären, wie es zu der Vernetzung zum Antisemitismus kam. Sollte der Inhalt der empfohlenen Seiten von der MHG als unbedenklich oder zu vernachlässigen eingeordnet worden sein, so käme dies der fachlichen, politischen und moralischen Bankrotterklärung der MHG gleich. Die MHG hat bislang nicht reagiert und erhält die Links nach ganz rechts weiterhin aufrecht.
Die alten Methoden (2)
In Sachen Schwulenverfolgung im öffentlichen Raum nahmen die Behörden Düsseldorfs vor 1945 und 1969 eine traurige Vorreiterrolle ein. Daß Repression aber auch ohne den berüchtigten Anti-Schwulenparagraphen §175 möglich und sogar erfolgreicher sein kann, als die alten Methoden, brachte am 20. Juni eine Pressemitteilung der whk-AG Schwulenpolitik ans Licht: Ordnungsamt schickt mehr als 80 Klappenbesuchern Bußgeldbescheide über je 270 Euro Stadt Düsseldorf schon wieder auf Schwulenjagd! In einer an whk und Gigi gerichteten Stellungnahme vom 11. Juni hatte der Düsseldorfer Presseamtschef Gregor Andreas Geiger regelmäßigen Kontrollen auf öffentlichen Toiletten als übliche Tätigkeit der Stadtverwaltung bezeichnet, bei der Geschlecht und sexuelle Orientierung der Betroffenen keine Rolle spielten kontrolliert wird allerdings nur bei Männern mit Erektion. Das whk kommentierte: Noch nie war schwuler Klappensex so teuer wie in diesem Sommer in der Millionärsmetropole Düsseldorf Beim whk waren seit Jahresbeginn immer wieder Hinweise und Beschwerden von Männern eingegangen, die vom Ordnungsamt Bußgeldbescheide wegen angeblichen Onanierens in der Öffentlichkeit erhalten hatten Bei den Betroffenen handelt es sich um Männer, die von den drei städtischen Beamten Fittkau, Becker und Berger während diverser Kontrollen bei grob ungehörigen Handlungen nach § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes angetroffen worden sein sollen In zwei Wiederholungsfällen (!) habe das Ordnungsamt laut Geiger sogar 500 Euro Bußgeld verlangt. Somit kann der Besuch öffentlicher Toiletten zwanzig mal teurer werden als das Falschparken auf Düsseldorfs Edelshoppingmeile Königsallee, so das whk. Das Komitee rügte, daß das Ordnungsamt jetzt sogar schon bei Anwendung einer bloßen Kann-Bestimmung des Ordnungswidrigkeitengesetzes Beamte als Lockspitzel vor die Türe schicke. Nach vergleichbaren Aktionen des Ordnungsamtes in der Cruising-Area am Angermunder Baggersee im Sommer 2002 sowie der Aufforderung von Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU), die Homosexuellen Düsseldorfs sollten sich nach Berlin verlegen, habe sich die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt nun unbestritten den Ruf erkämpft, die schwulenfeindlichste Stadt der Republik zu sein. Das whk schaltete inzwischen die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol ein, um angesichts der gespeicherten Personendaten mindestens 82 Betroffener die Rechtmäßigkeit solcher Rosa Listen überprüfen zu lassen.
Die alten Methoden (3)
Mit der Schlagzeile Achtung, der PDS-Mann lauert schon brachte die ebenfalls in Düsseldorf erscheinende konservative Rheinische Post am 29. Mai mal wieder das Geschütz der kommunistischen Bedrohung in Stellung. Die Schützenhilfe für Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) galt dem Ratsherrn und whk-Aktivisten Frank Laubenburg: Wenn OB Joachim Erwin eine Sitzung des Stadtrates eröffnet, fällt sein Blick gleich auf die letzte Reihe des Plenarsaals. Der PDS-Mann Frank Laubenburg genießt Aufmerksamkeit. Der Mann hat nämlich Unterhaltungswert, wenn er piekt. Das hat ihm unter 83 Ratsmitgliedern eine Art Ausnahmestellung eingebracht. Der frühere Geschäftsführer der PDS-Fraktion im Duisburger Rathaus ist durchaus einfallsreich, wenn es darum geht, sich und eine kommunal unbedeutende Partei ins Licht zu bugsieren. Jetzt hat ihm sogar das Landgericht dabei geholfen. Allzu flapsig und feixend hatte Erwin unlängst in einem Nebensatz von Laubenburg, dem verrückten Kommunisten im Stadtrat, gesprochen. Dagegen nun hat Laubenburg einen Beschluß erwirkt, der Erwin solche Bezeichnungen bei Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht Erwin ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro bzw. Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, piekte der PDS-Mann mit dem hohen Unterhaltungswert in einer Pressemitteilung nach: Der Beschluß des Gerichts wird Erwin derzeit per Gerichtsvollzieher zugestellt. Klar, daß Erwin die erneute Schmach durch einen seiner Ansicht nach durchgeknallten Revoluzzer nicht auf sich sitzen lassen konnte (vgl. Zur Wiedervorlage 1 und 2 in den Mitteilungen des whk, Gigi Nr. 24, S. 36). Das Stadtoberhaupt legte postwendend Widerspruch beim Landegericht Düsseldorf ein und muß nun dummerweise selbst zur Klärung des Sachverhalts vorm Kadi antanzen man sollte sich eben nicht mit juristisch versierten Tunten anlegen. Laubenburg frohlockt: Nun wird verhandelt. Mündlich. Öffentlich. Live. Persönliches Erscheinen ist angeordnet. Für OB Erwin. Für Dich auch? Das Polit-Happening startet am Mittwoch, dem 9. Juli, um 12 Uhr im Raum 257 des Landgerichts Düsseldorf auf der Neubrückstraße 3.
Der neue Mann (1)
Herbert Rusche vom whk in Frankfurt sorgt seit fünf Wochen für eine gestärkte Homo-Basis in Hessen. Grund dafür ist die am 1. Juni 2003 im Infoladen Switchboard in Frankfurt am Main vollzogene Vorstandswahl beim Schwulen Landesverband Hessen (slh), bei der es Rusche überraschend in den slh-Vorstand schaffte. Einen Glückwunsch sandte die AG Schwulenpolitik des whk am Tag nach der Wahl per Pressemitteilung: Das whk gratuliert seinem Mitglied Herbert Rusche, der den Schwulen Landesverband im Oktober 1992 in Fulda mitgegründet hat, zu der unerwarteten und mit nur einer Gegenstimme erfolgten Wahl in den Vorstand. Erst vor wenigen Monaten war Herbert Rusche aus der grünen Partei ausgetreten, die er mitgegründet hatte und für die er als erster offener Schwuler im Bundestag saß Die Wahl des seit über 30 Jahren aktiven Schwulen- und AIDS-Politikers wertet das whk als ein ermutigendes Signal gegen die weitere Verbürgerlichung und Anpassung Homosexueller an heterosexuelle Normen.
Dem slh wünschte das whk viel Erfolg bei der weiteren Arbeit. Im Gegensatz zu Landesnetzwerken in anderen Bundesländern hat sich der Verband nie parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Folglich stand auch nicht die Forderung nach zweifelhaften Rechtsinstituten für gleichgeschlechtliche Partnerschaften auf seiner Prioritätenliste, sondern vielmehr die Erhaltung und Vernetzung der homosexuellen Infrastruktur, vor allem für Jugendliche, sowie die Verbesserung der Lebensumstände für Schwule in der hessischen Provinz. Er steht mit dieser solidarischen Haltung klar in der Tradition der staatsfernen und subversiven Zweiten deutschen Schwulenbewegung.
Der neue Mann (2)
Der neue Mann des whk in Münster heißt Michael Heß und ist ab sofort Ansprechpartner für das Münsterland. Geboren 1961 in Apolda, verfügt der Diplom-Ökonom nach eigenem Bekenntnis über eine eher unspektakuläre DDR-Sozialisation aus Armeedienst, Studium und Hochschulassistenz in Leipzig. Seit 1991 ist Heß im Kommunikationscentrum Münster (KCM) aktiv, dem örtlichen Lesben- und Schwulenzentrum. In der alternativen Kulturszene der Stadt kennt man ihn unter anderem als Sprecher mehrerer erfolgreicher Bürgerinitiativen gegen Auswüchse der Stadtplanung. In seiner schwulenpolitischen Arbeit legt Heß Wert auf den Blick über den schwulen Tellerrand: die homosexuelle Selbstgettoisierung sei nichts Erstrebenswertes Heß Engagement im whk ist auch eine Reaktion auf die politische Rechtsdrift im KCM.
Bildunterschrift zum Foto vom Lesbisch-schwulen Stadtfest 2003 in Berlin:
Ein Komitee im Sommerstreß ... Nur wenige Pausen gönnten die Besucherinnen und Besucher des Schwul-lesbischen Stadtfestes in Berlin am 21./22. Juni dem Personal am Stand von SCHLIPS e.V.: Neben dem Lesbenarchiv Spinnboden präsentierte sich dort auch die whk-Zeitschrift Gigi mit ihren frechen T-Shirts, nagelneuen Zeitungshaltern und Ausgaben von nun schon fünf Jahrgängen. Zahlreiche Abonnements wurden abgeschlossen und neue Kontakte geknüpft. Weniger gut besucht waren eine Woche zuvor die 2. Linken Buchtage in Berlin-Kreuzberg gewesen, wo das whk ebenfalls einen Stand angemietet und Zeitschriften sowie Bücher von Gigi-Autoren angeboten hatte. Die Sommeraktionen wurden fortgesetzt mit der Teilnahme am Dortmunder DKP-Pressefest, den links-alternativen Berliner und Kölner CSDs am 28. Juni in Köln mit einem Redner sowie mit einem Stand beim Straßenfest zum Kölner Kommerz-CSD am 4. und 6. Juni.