Mitteilungen des whk November/Dezember 2002
Kontinuität & Erneuerung (1)Stellungnahmen der Homo-Verbände lagen am Tag nach der Wahl noch nicht vor, meldete das von der grünen Queer-Zeitung mitbetriebene Internetportal justbegay am 23. September zum Ergebnis der Bundestagswahl. Nachfolgend in gekürzter Fassung die einzige Stellungnahme aus der Szene, die am Tag nach der Wahl vorlag: Gestern kam das Casting für die Besetzungsliste des 15. Deutschen Bundestages zu einem erwarteten Ende. Hierzu erklärt die AG Cabaret des whk: Erbauliches war von der Wahl ohnehin nicht zu erwarten, ob gerührt oder geschüttelt, homo oder hetero: der Kater kommt ohnehin. Aus sexual- und familienpolitischer Sicht sollten nun Union und Bündnis 90/Die Grünen wegen ihrer nur in der Verkündigungsform differierenden Weltbilder zügig Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Angesichts absehbarer Angriffskriege sähe die AG Cabaret jedoch auch hinreichende Motive für eine Vierparteienregierung der nationalen Einheit unter Verwendung von Peter Gauweiler und Biggi Bender. Als verdiente Wahlsiegerin feiert die AG Cabaret unterdessen die Partei des Demokratischen Sozialismus ... Von der Parteispitze erwarten wir, daß sie sich auf das S im Parteinamen zurückbesinnt und im Sinne des bewährten Kurses von Kontinuität und Erneuerung ein vierjähriges Grundlagenstudium bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung aufnimmt. Nur so wird sie ihre hohen Verluste in den endlichen Weiten von Bund und Mecklenburg-Vorpommern begreifen, die Rosa Luxemburg 1899 so erläuterte: Die Vertreter der Arbeiterklasse können, ohne ihre Rolle zu verleugnen, nur in einem Falle in die bürgerliche Regierung treten: um sich ihrer gleichzeitig zu bemächtigen und sie in die Regierung der herrschenden Arbeiterklasse zu verwandeln. Tja, Frau Zimmer.
Kontinuität & Erneuerung (2)
Die Verleihung eines Blechdings an den Minister des Rückwärtigen Volker Beck kommentierte die AG Schwulenpolitik mit Pressemitteilung vom 4. Oktober. Wenn irgendeinem homosexuellen Mann in diesem Lande das Bundesverdienstkreuz gebührt, dann Volker Beck. Er hat sich in einem Maße um die Anpassung der Schwulen und Lesben und ihrer politischen Bewegungen an eine konservativ strukturierte Gesellschaft und ihre bestmögliche Unterordnung unter heterosexuelle Spielregeln verdient gemacht, wie es die zweite deutsche Schwulenbewegung vor zwanzig Jahren noch für unmöglich hielt. Der Staat Bundesrepublik Deutschland verdankt Volker Beck wie keinem anderen die Spaltung und letztliche Zerstörung einer einst selbstbewußten, oppositionellen sozialen Bewegung und ihre Einbindung in parteipolitische Interessen, vor allem die seiner eigenen rechtsdriftenden Partei Bündnis 90/Die Grünen. Es war maßgeblich Volker Beck, der der antihomosexuellen Repression ein demokratisches Mäntelchen verschaffte, indem er nach Streichung des letzten Homosexuellengesetzes in Deutschland, des §175 StGB, im Jahre 1994, ein neues Lesben und Schwule diskriminierendes Sondergesetz eine rückwärtsorientierte Homo-Ehe minderen Rechts entwarf und ihm als Teil der rot-grünen Koalition in einem undemokratischen Verfahren zur Gesetzeskraft verhalf. Parallel dazu half Beck bei der Entsorgung der Erwerbsunfähigkeitsrenten und damit dem Einsparen von Steuergeldern, die u.a. jüngeren Menschen mit HIV und AIDS zustanden, vor allem jenen aus der Hauptbetroffenengruppe: schwulen Männern. Unvergeßlich bleibt auch Becks Anteil an der Abspeisung der NS-Zwangsarbeiter mit demütigenden Almosen und der absehbaren Umlenkung von Staatsgeldern in eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die alles andere zum Inhalt hat als die vorgebliche Entschädigung homosexueller NS-Opfer, sondern die vielmehr deren zweite Enteignung zugunsten Volker Beck genehmer Organisationen bedeutet. Ferner hat sich Volker Beck darum verdient gemacht, daß die rot-grüne Koalition den §175 in der Nazi-Fassung nachträglich legitimierte, indem die Rehabilitierung und Entschädigung all jener Männer ausgeschlossen wurde, die nach eben demselben Paragraphen bis 1969 in der BRD verurteilt und inhaftiert und um ihre Existenz gebracht wurden. Vorangegangen war bereits die Ausnahme von Wehrmachtsdeserteuren und Rosa-Winkel-Häftlingen von der individuellen Entschädigung. All diese Verdienste Volker Becks verblassen jedoch davor, daß er als Parlamentarier des Rechtsnachfolgers des Dritten Reiches die Hand hob bei diversen Beschlüssen des Deutschen Bundestages und seiner Partei im Hinblick auf die Führung eines völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskrieges. Jugoslawien wurde auch dank des Ja-Wortes eines Volker Beck unter der drittmaligen Beteiligung deutscher Soldaten bombardiert und durch Verwendung strahlender Munition dauerhaft verseucht. Damit verhalf Beck dem grünen Parteiprinzip der Nachhaltigkeit zur ultimativen Geltung. Ob seiner Dienste an Joschka, Volk und Vaterland forderte das whk den Bundespräsidenten auf, das Bundesverdienstkreuz für Beck mit Eichenlaub und Schwertern zu veredeln.
Kontinuität & Erneuerung (3)
Eine Riesenveranstaltung Pleite gehen zu lassen, ist schon eine Leistung, frozzelt der Berliner Terminkalender Siegessäule im November zum Bankrott der CSD-Veranstaltungs GmbH in Köln. Da sind zum Beispiel die 50 Hektoliter Bier (das entspricht 25.000 Gläsern Kölsch), die während des Festes einfach verschwanden. 1,3 Mio. Menschen kamen, trotzdem meldeten die Veranstalter mit 300.000 Euro Schulden Insolvenz an. Kaum Licht ins Dunkel brachte die Mitgliederversammlung des die insolvente GmbH tragenden Kölner Lesben und Schwulentags (KLUST) am 9. Oktober in der Brennerei Weiß. Nicht einmal einen vollständigen Finanzbericht konnte der Vorstand vorlegen der langjährige Finanzreferent und ehemalige grüne Fraktionsgeschäftsführer im Kölner Rat, Volker Bulla, war gar nicht erst erschienen. Stattdessen legte der scheidende Vorstand einen Antrag zur Rettung des CSD-Straßenfests vor, der es in sich hatte. Dessen Absegnung durch rund 60 Prozent der Stimmberechtigten kommentierte das whk Rheinland am Folgetag unter der Headline Sommerschlußverkauf in Köln CSD an heterosexuelle Geheimloge verscherbelt: Nach der Finanzpleite beim Europride in diesem Sommer ist der Kölner CSD jetzt auch moralisch bankrott. Der Beschluß, zur dauerhaften und uneingeschränkten Abtretung des traditionellen CSD-Straßenfests an eine strikt anonyme Investorengruppe bedeute eine faktische Selbstentmachtung des KLUST. Motivation und Ziel der Geldgeber-Gruppe formulierte der schriftlich vorgelegte Antrag mit Kapitalerhaltung, Gewinnerzielung sowie Förderung und Stärkung Kölns als Zentrum lesbisch-schwulen Lebens und Lifestyles Es ist mehr als blamabel, wenn sich Kölner Lesben- und Schwulengruppen per Generalvollmacht die Hoheit über ihren geschichtsträchtigen Feiertag von einer Clique Besserverdienender abschwatzen läßt. Daß der KLUST der neuen Investorengruppe ein Recht auf Unsichtbarkeit ausgerechnet für den Tag der lesbisch-schwulen Sichtbarkeit und des Stolzes zubillige, verdiene zweifellos eine Auszeichnung mit einem hohen Karnevalsorden, so das whk.
Neben dem Komitee äußerte sich lediglich die inzwischen aus dem KLUST ausgetretene Regenbogenliste um die Bezirksabgeordnete Maria Rohlinger öffentlich ablehnend. Die Regenbogenliste, ihrerseits eine Abspaltung des als undemokratisch charakterisierten KLUST, forderte den Verein zur Rücknahme des Beschlusses auf. Das ihr nahestehende Szeneblatt Box thematisierte den Ausverkauf des CSD auf sieben Seiten und lud wiederum das whk Rheinland zu einem Gatkommentar ein, der unter dem süffisanten Titel Köln sagt ja! erschien. Im gleichen Blatt bezeichnete Thomas Spolert, 1991 Mitgründer des KLUST, die Entscheidung als politischen Offenbarungseid. Die Verantwortlichen von KLUST und CSD-GmbH hätten verbrannte Erde hinterlassen Nachdem direkt auf die Mitgliederversammlung am 9. Oktober bereits der lokale Kölner Stadt-Anzeiger und das Boulevardblatt Express über den Riesenzoff beim CSD berichteten, reagierte der neue KLUST-Vorstand schließlich zwei Tage später mit einer eigenen Stellungnahme, die das Konzept zur CSD-Zukunft naturgemäß verteidigte. Dem Richtungswechsel beim stark durch den erneut vom LSVD dominierten KLUST-Vorstand salutierte öffentlich nicht nur der ebenfalls wegen Insolvenz von seinem NRW-Landesverband verlassene Kölner LSVD-Ortsverband, dessen Schatzmeisterin dem neuen KLUST-Vorstand angehört. Auch die Regionalgruppe des Gay Managerverbands Völklinger Kreis (VK) bezeichnete die mysteriöse Angelegenheit als richtigen Schritt. Unterzeichnet war das Papier pikanterweise vom Ex-Aufsichtsatsvorsitzenden der in die Pleite getriebenen CSD-GmbH, Frank Biewer, sowie von Achim Lintermann, der nach internen, dem whk vorliegenden GmbH-Papieren als Steuerberater der GmbH tätig war. Auch der Verein Emanziation, Betreiber des Lesben- und Schwulenzentrums SCHULZ, gab dem KLUST grünes Licht. Dessen ehemaliges Vorstandsmitglied, der Medienunternehmer Matthias Eiting (RiK, Exit), ist wiederum just am 9. Oktober in den neuen KLUST-Vorstand gewählt worden. Auf einer mit Wem gehört der CSD? betitelten Diskussionsveranstaltung am 29. Oktober, zu der man neben örtlichen Geschäftsleuten und KLUST-Kritikern auch Dirk Ruder vom whk Rheinland aufs Podium lud, gab ein sichtlich genervter Markus Danuser für den KLUST-Vorstand schließlich das absehbare Scheitern des anvisierten Konzepts bekannt: Weil die KLUST-Kritiker nachträglich eine öffentliche Hinrichtung des mehrheitlich beschlossenen Antrags betrieben hätten, seien die anonymen Investoren von ihrer Offerte zurückgetreten. Sie wollten sich, so zitierte der einzige offene Vertreter der Investorengruppe eine whk-Pressemeldung, für ihr Engagement nicht als Clique Besserverdienender beschimpfen lassen. Auf der nächsten Mitgliederversammlung am 18. November um 19 Uhr im SCHULZ will der KLUST nun alternative Konzepte beraten. Der LSVD-Bundesvorständler Michael Schmidt, graue Eminenz nicht nur des Kölner CSD, kündigte bereits an, weitere Investoren im Petto zu haben, die jedoch, sollte es zu einem Vertragsabschluß mit dem KLUST kommen, keineswegs unerkannt bleiben wollten. Das whk Rheinland will die Vorgänge um den größten CSD in der Bundesrepublik weiterhin beobachten.