Mitteilungen des whk März/April 2001
KlappenterrorKeinerlei Widerhall in der Presse fand eine Presseerklärung vom 2. Februar 2001 mit dem Titel Razzien, Rosa Listen und Überwachung/whk: Es geht wieder los mit der polizeilichen Schwulenjagd. Hier der vollständige Text:
In Berlin provoziert die Polizei Klappengänger mit Gummiknüppeln, in NRW werden schwule Saunen durchsucht und bundesweit zahlreiche Treffpunkte überwacht. Hierzu erklärt die AG Schwulenpolitik des whk:
Vor drei Monaten initiierten der Berlin-Wilmersdorfer Baustadtrat Straßmeir (CDU), die Polizei sowie der Infoladen Mann-O-Meter eine bundesweit in den Medien beachtete Aktion, die schwule Besucher der Toilette am Preußenpark zu mehr Toleranz bewegen sollte. Unterdessen liegen dem whk mehrere Beschwerden von Männern vor, die sich in und vor der Anlage von der Polizei provoziert fühlen. Obwohl sie sich diskret verhielten, seien sie von Ordnungshütern verbal attackiert worden. Mit der barschen Frage nach dem Zweck ihres Aufenthalts hätten Beamte z.B. Personenkontrollen und Festnahmen angedroht, da sie angeblich mutwillig den Zugang blockierten. Ein Beamter sei mit dem Gummiknüppel in eindeutig gewalttätigen Gesten um die Anlage patroulliert. Außerdem seien Türen aufgerissen und die Anwesenden mit den Worten Et hat sich schon ma eener totjekiekt! vertrieben worden. Vor-Ort-Recherchen des whk lassen den Schluß zu, daß die Anlage aus parkenden Autos heraus observiert wird und die Besucher gezählt werden. Der Tagesspiegel hatte bereits im November 2000 die konkrete Zahl von 370 täglichen Nutzern gemeldet.
Die beschriebene Situation ist kein Einzelfall. Im Vorfeld, aber verstärkt seit der Verabschiedung des Homo-Ehe-Gesetzes stellt das whk eine sprunghafte Zunahme von Razzien und Überwachungen an traditionellen Schwulentreffs fest. Offenbar soll unbotmäßige und schwer zu kontrollierende Sexualität erneut kriminalisiert werden. Teils langfristig geplante Polizeiaktionen gab es u.a. in Celle, München, Bielefeld, Nürnberg, Heidelberg, im Raum Stuttgart und im Ruhrgebiet. Die Sauna-Razzien in Köln, Düsseldorf und Essen am 19. Januar machen zudem deutlich, daß die Repression selbst vor kommerziellen Einrichtungen nicht mehr halt macht. Dabei wurden Schwule von der Polizei registriert oder sogar gefilmt.
Das whk fordert die schwulen Anti-Gewalt-Projekte und Überfalltelefone auf, ihren Schmusekurs mit der Ordnungsmacht endlich zu beenden und Schwule zuerst einmal vor der Polizei zu schützen. Dem eigenen Gewaltbegriff folgend, dürften die Überfalltelefone in ihren Statistiken Polizei-Aktionen und Einschüchterungsversuche nicht länger ignorieren, sondern hätten sie lückenlos zu dokumentieren.
Das whk fordert alle Schwulen auf, staatliche Angriffe auf die sexuelle Freiheit nicht länger hinzunehmen und ihre schwer erkämpften Freiräume offensiv zu verteidigen. Ab sofort können der AG Schwulenpolitik des whk ähnliche Beobachtungen gegebenenfalls anonym unter whk@freunde.de (Stichwort: Klappenterror) zur Dokumentation gemeldet werden. Erinnert sei daran, daß schwule Aktivisten 1980 mit der Zertrümmerung von Einwegspiegeln in Hamburger Klappen bundesweit für einen Polizeiskandal sorgten.
Stichwort Hamburg: Homo-Razzia auf St. Pauli: Im Zuge der Ermittlungen im Mordfall Timothy David Smart wurden die Gäste der Szenekneipe Wunder Bar und des schwulen Sexshops und Kinos Mystery Hall zum Gentest aufgefordert, so das Internet-Portal Eurogay am 5. März. Samstagabend, in der Wunder Bar herrscht drangvolle Enge wie an jedem Wochenende. Plötzlich steht die Polizei vor der Türe, das Licht geht an. Personalien werden kontrolliert, doch die mehr als 200 Besucher sollen nicht nur ihre Ausweise vorzeigen, sondern auch freiwillig Fingerabdrücke und einen Speicheltest abgeben. Die Talstraße ist eigens abgesperrt, auch auf der in der Nähe liegenden Davidwache werden die Gäste abgefertigt.
Sich quer stellen
Sich quer stellen
Am 3. März beteiligte sich das whk Ruhr abermals an einer Aktion gegen einen Aufmarsch von diesmal 2000 Neonazis. Während gut 15000 Menschen in Dortmund der Einladung des staatstreuen Bündnisses gegen Rechts auf den Nordmarkt gefolgt waren, versammelten sich im Bündnis Wir stellen uns quer 2000 AntifaschistInnen, um auf den gesamtgesellschaftlichen rassistischen Konsens aufmerksam zu machen. Der Nazi-Aufmarsch müsse direkt unterbunden werden, zitierte die in Berlin erscheinende Tageszeitung Junge Welt und berichtete: Das gelang angesichts der über 2000 Polizisten, die zusammengezogen worden waren, nicht. Allerdings war es 50 Demonstranten gelungen, sich am Treffpunkt der Neofaschisten zu versammeln. Sie machten während der Nazi-Provokation mit antifaschistischen Parolen darauf aufmerksam, daß sie nicht bereit wären, die braune Meute um die Nazikader Christian Worch und Siegfried Borchardt zu dulden. Laut Polizeiangaben kam es an diesem Tage zu Festnahmen von drei Linken und sechs Neonazis. Die Polizei hatte am späten Nachmittag 100 Neonazis mit der U-Bahn zum Dortmunder Hauptbahnhof geleitet. 200 Antifaschisten, die sich dort aufhielten, wurden gewaltsam abgedrängt. Die Zeitung weiter: Die Dortmunder Ortsgruppe des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk) sprach unterdessen von einem für Dortmunder Polizeiaktionen typischen Verhalten der Beamten. Wer unter den Augen von 100 jubelnden Faschisten engagierte Jugendliche zusammenprügeln und mit brutalster Gewalt festnehmen lasse, stelle klar, mit welcher politischen Einstellung er symphatisiere, so eine Sprecherin. Des weiteren stellte das whk klar, daß mehrere als Autonome verkleidete Zivilpolizisten als agents provocateur in die Masse der Antifaschisten eingeschleust worden wären. Zudem sei die Polizei nicht eingeschritten, als die Neofaschisten Wir bauen eine U-Bahn von Dortmund bis nach Ausschwitz gesungen hätten.
Gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik
Auf dem Kongreß der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) im November 2000 und dem bundesweiten Friedensratschlag im Dezember kam der Vorschlag einer Kampagne Kriege verhindern Einsatzkräfte auflösen auf. Der von Achim Schmitz (DFG-VK, Schwule Kriegsdienstgegner e.V.) formulierte Aufruf mündete in den Appell Kriege verhindern Einsatzkräfte auflösen, der zu einer breiten Unterschriften-Kampagne der Friedensbewegung in den nächsten Monaten führen soll, wofür die diesjährigen Ostermärsche sich gut als Auftakt eignen würden. Hier der Appell im Wortlaut:
Ich lehne den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ab und fordere Bundestag und Bundesregierung auf, die dafür vorgesehenen 150.000 Soldaten starken Einsatzkräfte aufzulösen, die damit verbundenen Beschaffungen neuer Waffen und Ausrüstungen zu stoppen, und die dadurch eingesparten rund 100 Milliarden Euro in zivile Projekte zu investieren (z.B. Bildung, Umwelt, Soziales).
Mit Ausnahme der zweiten Berliner whk-Gruppe (ingrata) sind alle regionalen whk-Gruppen (Rheinland, Ruhr, Südbaden, Berlin) Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs.
Bildinformation (zum Foto der Druckausgabe)
Gemeinsam gegen Rassismus auf der Straße und in den Köpfen unter diesem Motto fand am 27. Januar, zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, eine Demonstration in Freiburg statt. Rund 350 Menschen folgten dem Aufruf eines antifaschistischen Bündnisses von Antifa Freiburg, VVN-BdA, SAGA, PDS Freiburg, whk südbaden und vielen anderen Gruppen und Organisationen, um dem alltäglichen Rassismus, wie er sich in Form von Ghettoisierung, Abschiebungen, Polizeikontrollen und rassistischen Flüchtlingsgesetzen äußert, den Kampf anzusagen und gleichsam die Verlogenheit der staatlichen Antifaschismusdiskussion offenzulegen.