Dokumentation
Als aus Protest gegen die abermalige Ausgrenzung ehekritischer Organisationen aus den Gesprächen von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zur geplanten Eingetragenen Lebenspartnerschaft diese eine Gemeinsame Erklärung dagegen veröffentlichten, empörte sich darüber Verena Lappe von der Hamburger GAL-Bürgerschaftsfraktion. Wir dokumentieren hier die Antworten auf ihre e-mail vom 12. Juli 2000 sowie eine weitere vom Folgetag.
Sehr geehrte Frau Dr. Lappe,
haben Sie vielen Dank für Ihre persönliche Anmerkung an die VerfasserInnen der "Gemeinsamen Erklärung" zum Lebenspartnerschaftsgesetz. Ich bin Mitglied des whk, das diese Erklärung mit unterzeichnet hat, und beauftragt, Ihnen zu antworten.
Sie schrieben:
Sollte es in der Tat so sein, dass Initiativen von Lesben/Schwulen explizit von den Treffen mit Däubler-Gmelin ausgegrenzt worden sind, finde ich das höchst kritikwürdig.
Sie müssen dies nicht in Frage stellen, es ist tatsächlich so. Am 9. September 1999 bat das whk die Ministerin schriftlich darum, am 27. September zu dem Treffen ins BMJ hinzugeladen zu werden. Am 24. September erging mit Herta Däubler-Gmelins Original-Unterschrift und auf ihrem ministeriellen Kopfbogen an die whk-Bundessprecherin die Auskunft, sie könne den Kreis der Teilnehmer "aus organisatorischen Gründen" nicht erweitern. Wir wurden an eine nachgeordnete Mitarbeiterin verweisen, die uns nie zurückrief und nie zu sprechen war. Der Lesbenring bekam auf seine analoge Anfrage erst gar keine Antwort.
Es würde Sie als Demokratin auszeichnen, dies nicht nur zu kritisieren, sondern dagegen im BMJ zu protestieren. Denn obwohl wir die Sache damals öffentlich machten, hat keiner der geladenen Vereine dagegen Einspruch erhoben. Im Gegenteil. So sieht die ehrenwerte Community aus, Frau Lappe.Über das, was da sonst noch steht, bin ich empört und schockiert. Ich finde es unglaublich, sich beim Thema "Lebenspartnerschaftsgesetz" eines Stils zu bedienen, der die "anderen" Lesben/Schwulen (mich z.B.) in die Nähe von Nicht-Demokraten und Faschisten ("Sondergesetze") rückt. Das halte ich für mehr als unangemessen.
Ich ersuche Sie freundlich, sich bei Ihrer Bewertung ans Faktische zu halten. Um Homo-Ehe resp. Eingetragene Partnerschaft haben sich Verbände wie LSVD, Völklinger Kreis sowie parteinahe Gruppierungen wie Schwusos und Schwulenbereich der Grünen seit Jahren auf keinerlei Debatten über Ziel und Strategie eingelassen. Sie handelten stets im Alleingang, ohne vorher eine Konsensfindung unter den Betroffenen zuzulassen, die m.E. sicher möglich gewesen wäre, und maßten sich die Repräsentanz aller Lesben und Schwuler an. Mein Archiv (und ich arbeite seit über zehn Jahren dazu publizistisch) quillt über von entsprechenden Dokumenten, die diese undemokratische Vorgehensweise belegen.
Niemand, Frau Lappe, hat Sie in die Nähe von Faschisten gestellt. Ein Sondergesetz ist das, was das Wort besagt: Ein Gesetz, das nicht für alle gilt, in diesem Falle nicht für Heterosexuelle, die womöglich nicht die Ehe eingehen wollen. Es ist auch ein Sondergesetz in dem Sinne, daß es einzig und allein paarweisen Lebensweisen vorbehalten ist. Insofern ist es auch ein diskriminierendes, das schon gar nicht eine "Gleichstellung" beinhaltet, wie stets suggeriert wird. Allerdings befleißigen wir uns als whk historischer Sensibilität bei der Bewertung aktueller Politik. Wir waren 1994 froh, als das letzte Sondergesetz für Schwule, der §175, aus den deutschen Gesetzbüchern verschwand und betrachten mit Sorge, daß das Kriterium Homosexualität nunmehr in einem der weitreichendsten Gesetzeswerke überhaupt in dieser Republik wieder Einzug hält. Dies glaubten wir historisch überwunden.
Mit dem Vorwurf der "Verfassungswidrigkeit" steht das whk etc. in trauter Eintracht mit der CDU/CSU und den Kirchen. Bei der Ablehnung insgesamt scheint es ja ebenfalls eine rechts-links-Koalition zu geben. Das sollte zu denken geben!
Das gibt es allerdings, denn wer hier eine Rechts-Links-Koalition beklagt, geht offenbar davon aus, daß er/sie selbst in der Mitte steht. Ich nehme an, das ist die Neue Mitte? Das Infame an der von Ihnen konstruierten "trauten Einheit" ist, daß Sie jene, die sich aus ihren unmittelbaren Lebensinteressen heraus gegen ein sie betreffendes Gesetz zur Wehr setzen, mit deren erklärten Feinden gleichsetzen. Wir halten das Gesetz für nicht verfassungskonform wegen Artikel 1, CDU/CSU und Kirchen wegen Artikel 6, und das whk fordert seit Jahren, daß die Ehe aus dem Grundgesetz heraus muß. Sie dürften klug genug sein, diesen qualitativen Unterschied zu erfassen. Und bei allem Respekt: Sie, Frau Lappe, beklagen nach dieser Gleichsetzung allen Ernstes mangelndes Demokratieverständnis der zahlreichen UnterzeichnerInnen unserer Erklärung? Das verkehrt die Verhältnisse. WIR wurden ausgegrenzt, nicht SIE, das bitte ich zu berücksichtigen.
Ich finde es höchst bedauerlich, dass die Bedeutung dieses Schritts und mehr, aber auch nicht weniger ist es für weitergehende gesellschaftliche Veränderungen von einigen Lesben/ Schwulen nicht gesehen wird. Wird er nicht getan, gibt es in den nächsten Jahren vermutlich keine Chance für eine Lebensformen-Diskussion und weitere gesellschaftliche/rechtliche Veränderungen. Ich sehe es so, dass auch das whk oder der Lesbenring ein Interesse haben müssten, diesen ersten Schritt zu machen im Interesse der eigenen Ziele. Vielleicht könnt Ihr das mal aus diesem Blickwinkel diskutieren ...
Sehen Sie, Frau Lappe, genau diese Fragen von Ziel, Strategie und Taktik hätten wir mit Ihnen und Frau Ministerin sehr gern debattiert, bevor und anstatt daß in Geheimverhandlungen ein ja offenbar auf Widerstand stoßender Gesetzentwurf ausbaldowert wurde. Ihre ParteifreundInnen und in der Sache Verbündeten haben uns und sich im Bewußtsein ihrer Macht diese Chance nicht eingeräumt. Wir hatten nur die Möglichkeit, jetzt massiv an die Öffentlichkeit zu gehen mit unseren jahrelang ignorierten Konzepten (es gibt inzwischen Bücher darüber) sowie unserem Protest. Die Unterzeichnenden der "Gemeinsamen Erklärung" mahnen nicht mehr, aber auch nicht weniger an als die Rückkehr zu demokratischem Gebaren. Die Koalition und die der Ministerin genehmen Gruppierungen haben in einem unfairen politischen Vorgang die Notbremse in der Hand. Die Entscheidung, sie zu ziehen, liegt bei ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Eike Stedefeldt*
Liebe Frau Dr. Lappe,
At 13.07.00, you wrote:
Hallo, Herr Stedefeldt,
nichts ist wie es scheint in diesem Fall: Ich bin nicht Parteimitglied, wohl aber Mitarbeiterin der Fraktion, weil ich von der Sache "Politik für Lesben/Schwule" bei der Hamburger GAL überzeugt bin. Ansonsten: Nicht ich bin es, die etwas "beklagt" das widerstrebt mir ganz und gar.
Ich verwehre mich gegen den Stil, den das whk für die Durchsetzung seiner politischen Interessen gewählt hat.Ich bitte Sie, nicht erneut Ausgrenzung zu betreiben, indem Sie das whk als Alleinunterzeichner der Gemeinsamen Erklärung behandeln. Inzwischen haben sich ihr auch weitere Gruppen angeschlossen.
Ich sehe das whk eher als Klägerin bzw. Anklägerin und Beklagerin und nicht als politische Gruppe, die für ihre Ideen wirbt und andere zu überzeugen vermag.
Das steht Ihnen frei in einem freien Land. Das whk hat inzwischen doch eine nicht geringe Zahl von Menschen von seinen Ideen überzeugt, und dies keinesfalls mit einem simplen Stil. Vielleicht werfen Sie einen Blick auf die Homepage www.whk.org, auch auf www.gigi.de (das ist die sexualpolitische Zeitschrift, die vom whk-Förderverein ediert wird). Ich denke ohne Anmaßung sagen zu dürfen, daß Sie es hier nicht mit Ungebildeten oder politisch Unerfahrenen zu tun haben.
Das finde ich höchst bedauerlich, weil viele der Ideen (jedenfalls das, was ich dahinter vermute) es für meine Begriffe verdient hätten, einer grösseren Öffentlichkeit plausibel gemacht zu werden. Schade.
Das ist reizend von Ihnen, dies anzumerken, nur kommt Ihr Bedauern ein wenig spät, da das Kind ja bereits in den Brunnen gefallen ist und auf halber Höhe feststeckt. Ich finde es auch, mit Verlaub, ein bißchen billig, jetzt von einer Plausibelmachung für die größere Öffentlichkeit zu reden, wo gerade das von rot-grün-nahen Vereinen seit 10 Jahren durch eine populistische Manipulation der Öffentlichkeit verhindert worden ist.
Daß das whk sehr konkret das Konzept der Wahlverwandtschaften von Christina Schenk unterstützt, wissen Sie? Einzelne Mitglieder des whk waren schon in den 80er Jahren daran beteiligt, entsprechende Gesetzentwürfe zu erarbeiten, und ich habe 1990 bereits als Sachverständiger im DDR-Volkskammerausschuß Jugend und Sport für derlei geworben. Das können Sie nicht wissen, aber es wäre dennoch schön, wenn Sie Ihre Urteile nicht ganz so leichtfertig fällen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Eike Stedefeldt