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An die TeilnehmerInnen des 17. Verbandstages des
Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland e.V.
im Bürgerzentrum Deutz
Tempelstraße 41-43
50679 Köln21. April 2005
Grußwort an den 17. LSVD-Verbandstag
Liebe Mitglieder des Lesben- und Schwulenverbands,zum diesjährigen LSVD-Verbandstag am 23./24. April sendet Euch das wissenschaftlich-humanitäre komitee in guter Tradition Grüße nach Köln.
In diesem Jahr begeht Euer im Frühjahr 1990 als "Schwulenverband der DDR" gegründeter Verein seinen fünfzehnten Geburtstag. Damit hat der heutige LSVD eine ebenso spannende wie widersprüchliche Periode lesbischer und schwuler Politik aktiv gestaltet.
Im politischen Kampf haben den LSVD dabei stets zähes Beharren und kompromißloses Ringen ausgezeichnet. Ohne das unablässige Engagement Eures Verbandes wäre weder die gleichgeschlechtliche Partnerschaft für immerhin zwei Personen Gesetz geworden, noch gäbe es in der Szene die Diskussion um ein nationales Antidiskriminierungsgesetz. Freunde und Feinde sexueller Emanzipation haben inzwischen anerkannt, daß sich über Aktionsformen und Positionen des LSVD trefflich streiten läßt. Als feste Größe ist der LSVD aus der politischen Debatte des Landes aber schwerlich wegzudenken.
Nicht alle Ziele des LSVD konnten indes in den fünfzehn Jahren erreicht werden. Das von Euch geforderte Antidiskriminierungsgesetz steht unter starkem Beschuß der Unternehmer, und auch die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften kam nur schleppend voran. Erwartungsgemäß sind Rückschritte und infolge der Arbeitsmarkt- und Sozialreformen drastische ökonomische Einbußen für Lebenspartner zu verzeichnen. Zu viele Stücke vom Hochzeitskuchen haben Gerichte und Parlamente kassiert, als daß man einander noch bedenkenlos und heiter das Ja-Wort geben wollte. Dies soll Euch aber nicht entmutigen, Euren Weg unbeirrt weiterzugehen.
In manchen Bürgerrechtsfragen hätte sich das whk vom LSVD in den vergangenen Monaten ein ernsthafteres Engagement gewünscht. Dies gilt etwa für die geplante Ausweitung der DNA-Analyse, die konservative Politiker ausgerechnet mit dem scheinheiligen Verweis auf den Mord am Modemacher Rudolph Moshammer zu rechtfertigen versuchen. Wie zahlreiche Bürgerrechtsgruppen und Datenschutzbeauftragte sieht auch das whk in der geplanten Novelle des DNA-Feststellungsgesetztes eine Gefahr für die demokratische Verfaßtheit unseres Landes. Es wäre nicht nur für die schwule Szene hilfreich und wünschenswert, wenn der LSVD sich hier eindeutiger positionieren würde.Auch in der Debatte um die Folgen des von Rot-Grün verschärften Sexualstrafrechts hat das whk die laute Stimme des LSVD vermißt. Das whk hält es für beunruhigend, daß in Deutschland wieder homosexuelle Männer vor Gericht stehen, nur weil sie einen Stricher zum Sex mit nach Hause nehmen. Für skandalös hält das whk vor allem, daß homosexuelle Freier derzeit regelmäßig wegen angeblichen "sexuellen Mißbrauchs" angeklagt werden. So geraten Schwule erneut in den existenzbedrohenden Ruf, "Jugendverderber" und "Jugendverführer" zu sein. Wir meinen, daß die schwule Szene dazu nicht schweigen darf, nur weil führende Schwulenpolitiker an solchen Gesetzen mitwirken.
Erfreut ist das whk hingegen, daß dem LSVD kurz vor dem diesjährigen Verbandstag die lang beabsichtigte und auf dem 16. Verbandstag nach heftiger Debatte um seine Medienpolitik nach innen wie außen beschlossene Herausgabe eines Vereinsorgans geglückt ist. Eigene Publikationen standen von Anbeginn ganz oben auf der Prioritätenliste der Homosexuellenbewegung. Was Karl Heinrich Ulrichs und Magnus Hirschfeld als Väter der deutschen Schwulenbewegung nicht vermochten, habt Ihr mit "Respekt!" nach 15 Jahren geschafft. Diese Leistung verdient uneingeschränkten Respekt.
Als langjähriger Herausgeber der sexualpolitischen Zeitschrift "Gigi" weiß das whk nur zu gut, welche Kraftanstrengung die Publikation eines journalistisch und politisch wegweisenden Magazins gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krise und gesellschaftlichen Umbruchs bedeutet. Um so freudiger stimmt uns, daß viele LSVD-Mitglieder in der Vergangenheit vom Angebot eines ermäßigten "LSVD-Abos" der "Gigi" Gebrauch machten und damit zu deren wirtschaftlicher Stabilisierung beitrugen. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, Euch dafür herzlich zu danken. Viele von Euch werden "Gigi" sicher auch nach dem Start von "Respekt!" die Treue halten.
Für Euren 17. Kölner Verbandstag wünscht Euch das whk fruchtbare Diskussionen und nicht zuletzt die erfolgreiche Weiterentwicklung der innerverbandlichen Pluralität. Das whk wünscht sich den LSVD als wagemutigen politischen Streiter.
Dirk Ruder
whk Rheinland / AG Schwulenpolitik