Gigi-Redaktion/24. 4. 2002
Redaktionelle Anfrage an Vorspiel Sportverein für Schwule und Lesben Berlin e.V.
betreffend eine Steuernachforderung des zuständigen Finanzamtes für KörperschaftenAn: Vorspiel e.V. (Vorstand),
Naumannstraße 33/Haus 6,
10829 Berlin
24. 4. 2002
Redaktionelle AnfrageSehr geehrte Damen und Herren,
seit geraumer Zeit recherchieren wir zur Finanzierung von Lesben- und Schwulengruppen durch Bund und Länder. Im Zuge der Ermittlungen zu den von unserer Redaktion aufgedeckten dubiosen Finanzgeschäften des LSVD, insbesondere in NRW, und der Verwicklung der Partei Bündnis 90/Die Grünen darin (vgl. dazu www.whk.de) stießen wir auch auf Ihren dem LSVD assoziierten Verein. Zur Verifizierung der uns vorliegenden Informationen ersuchen wir Sie um kurzfristige Beantwortung folgender Fragen:
1. Das Finanzamt für Körperschaften in Berlin drohte "Vorspiel" infolge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wegen der EuroGames IV (Berlin, 1996) Ende 2001 eine Steuernachzahlung in Höhe von 24.000,00 DM an. Ihr Finanzvorstand Andreas Dähne erläuterte seinen Kassenbericht auf der Mitgliederversammlung im März 2002 zu diesem Punkt wie folgt: "Gemäß dem vorliegenden vorläufigen Prüfungsbericht wurden die umsatzsteuerpflichtigen Erlöse aus der Veranstaltung mangels getrennter und ausführlicher Aufzeichnungen über Einnahmen anhand der an den Veranstaltungstagen auf das EuroGames-Sonderkonto eingezahlten Beträge geschätzt." Nach unseren Erkenntnissen handelt sich bei diesen 24.000,00 DM um 15 Prozent Umsatzsteuer auf 160.000,00 DM geschätzter Veranstaltungserlöse.
a) Trifft es zu, daß das "Vorspiel"-Mitglied Stefan Faulstroh bei der Vorbereitung und Durchführung der EuroGames IV und des 6. Gay & Lesbian Run 1996 für Finanzen zuständig war?
b) Stimmt es, daß der Herr Faulstroh am Ende der EuroGames Tageseinnahmen einer Lesben-Party von der Abendkasse abkassiert, den Geldempfang aber nicht quittiert hat? Sind diese Einnahmen in den Umsatz der Spiele eingeflossen und ist dies differenziert ausgewiesen worden?
2. Beim Bericht der Kassenprüfer auf der MV zur erwähnten Finanzamtsforderung erklärte sich der auch als "Vorspiel"-Kassenprüfer tätig gewesene Stefan Faulstroh für befangen. Daraufhin erklärte der "Vorspiel"-Kassenprüfer Andreas Rachmann: "Der Prüfbericht des Finanzamtes verweist auf gravierende Mängel. Der MV 1997 wurde ein objektiv falscher Bericht vorgelegt. Es ist ein Dispo-Schaden von 20.000,00 DM entstanden."
a) Stimmt es, daß sich dieser Betrag aus 12.000,00 DM plus 8.000,00 DM für sogenannte Scheckausreichungen aus EuroGames-Erlösen an zwei Projekte im Folgejahr zusammensetzt?
b) Wie erklärt sich, daß auch ein Jahr nach den EuroGames dem verantwortlichen "Vorspiel"-Vorstand keine schlüssige Endabrechnung und Auswertung durch die EuroGames-Organisationsleitung (OL) vorlag und dennoch aus vermeintlichen EuroGames-Einnahmen durch die OL von ihr betreute Gelder an zwei lesbisch-schwule Projekte ("Lighthouse", 12.000,00 DM; .Frauenprojekt St.. Petersburg", 8.000,00 DM) in Form von medienwirksamen Schecküberreichungen ausgeschüttet wurden?3. Da aus oben genannten Gründen besonders die Verbindungen zum LSVD und ihm nahestehenden Parteien interessant sind, wüßten wir gern:
a) War der Lebenspartner des inzwischen verstorbenen Bankers Klaus Eberling, der in Berlin als Rechtsanwalt niedergelassene und im LSVD-nahen Anzeigenblatt gay-press.de eine juristische Kolumne führende "Vorspiel"-Leichtathlet Markus Caspers, bereits 1996 LSVD-Mitglied? War Herr Caspers, der dem Vernehmen nach auch SPD-Mitglied sein soll, damals in der OL für die EuroGames maßgeblich zuständig?
b) Trifft es zu, daß, als die EuroGames IV für 1996 von der European Gay and Lesbian Sport Federation (EG LSF) in Den Haag an "Vorspiel" als Ausrichter vergeben wurden, der Vertrag hierüber vom damaligen "Vorspiel"-Mitglied Klaus Eberling unterschrieben wurde?
c) War Herr Eberling im Verlauf der Vorbereitung und Durchführung der Spiele für die Akquisition von Sponsorengeldern zuständig und sind so gewonnene Sponsorengelder ausschließlich über "Vorspiel"-Konten geflossen?
d) In der Berliner Szene ist bekannt, daß der erwähnte Stefan Faulstroh über einen längeren Zeitraum recht intensive private Kontakte zum LSVD-Bundessprecher und LSVD-NRW-Mitglied Volker Beck (MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Wahlkreis Köln, Landesliste NRW) pflegte und mit ihm bis vor gut einem Jahr in der Charlottenburger Nürnberger Straße eine Wohnung teilte. Ist dem Verein "Vorspiel" eine Mitgliedschaft Herrn Faulstrohs in LSVD oder der Partei Bündnis 90/Die Grünen bekannt oder hat Herr Beck an Terminen im Kontext der EuroGames (Empfänge, Pressekonferenzen etc.) teilgenommen? Wenn ja, in welcher Eigenschaft?
e) Gibt es außer o.g. noch andere "Vorspiel"-Mitglieder, die auch unmittelbare LSVD-Mitglieder sind (womöglich der ehemalige Referatsleiter in der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Bodo Mende) und betrachtet der "Vorspiel"-Vorstand derartige Doppelmitgliedschaften insbesondere vor dem Hintergrund der problematischen Verquickungen beim LSVD in NRW als verfänglich?
f) Weshalb ist "Vorspiel" zahlender LSVD-Mitgliedsverein, obwohl der LSVD zur Erreichung des "Vorspiel"-Vereinszwecks (Sport für Schwule und Lesben) weder durch Überlassung von Sportinfrastruktur noch sonstwie beitragen kann und obwohl das "Vorspiel-Magazin" erst unlängst in einer Vereinschronik darauf verwies, daß man kein politischer Verein mehr sein wolle?
4. Auf der erwähnten Mitgliederversammlung erklärte Ihr Kassenprüfer Andreas Rachmann: "Die Frage der Geltendmachung gegenüber den Schadensverursachern müßte geprüft werden", woraufhin "Vorspiel"-Vorstand Andreas Machens einen Antrag stellte, nach dem der Verein "keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegenüber eigenen Mitgliedern" erheben wolle. Trifft es zu, daß dieser objektiv der Verhinderung der Aufklärung dienende Antrag mit 36 Ja-Stimmen und 21 Enthaltungen gegen 18 Nein-Stimmen angenommen wurde?
5. Besteht durch die ungeklärten Finanzgeschäfte bei den EuroGames die Gefahr, daß der Verein "Vorspiel" den Status der Gemeinnützigkeit einbüßt? Welche Auswirkungen hätte dies auf die Überlassung von Sporthallen und -plätzen der öffentlichen Hand?
Wir sehen Ihrer baldigen Auskunft erwartungsvoll entgegen und möchten bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß wir aus Transparenzgründen offizielle redaktionelle Anfragen unabhängig von ihrer Beantwortung nach spätestens 14 Tagen auf der Homepage unseres Herausgebervereins ablegen.
Mit freundlichen Grüßen
Eike Stedefeldt
Redaktion Gigi