Dokumentation
Briefwechsel des whk mit Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin
Anfang September 1999 wurde durch eine Indiskretion bekannt, daß die Bundesministerin der Justiz für den 27. September Vorgespräche zur geplanten "Eingetragenen Lebenspartnerschaft" mit ausgesuchten Homovereinen führen werde. Zu diesen Gesprächen war nicht eine ehekritische Organisation geladen worden. Das war folgerichtig, denn die Einladungsliste stammte, wie dem whk vom Arbeitskreis Rechtspolitik beim SPD-Vorstand auf telefonische Nachfrage mitgeiteilt wurde, aus dem Büro des grünen Bundestagsabgeordneten und Sprechers des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland, Volker Beck. Daraufhin sandte whk-Bundessprecherin Dirk Ruder folgenden Brief an die Ministerin:
Bundesministerium der Justiz
Die Ministerin
Heinemannstraße 653175 Bonn
Berlin, 7. 9. 1999
Eingetragene Lebenspartnerschaft/Termin am 27. 9. 1999
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin,
wie Sie wissen, ist die Vielfalt der politischen Richtungen in der deutschen Homosexuellenszene beachtlich und stehen sich deren Konzepte teils unvereinbar gegenüber. Infolge dieser Polarisierung gibt es logischerweise keine Gruppierung, die mit Recht in der Lage wäre, für die Interessen aller hier lebenden Lesben und Schwulen zu sprechen. Dies maßt sich selbstverständlich auch unser bundesweit organisiertes Komitee als exponierter Repräsentant der emanzipatorisch-feministischen Strömung der Lesben-, Schwulen- Bi-, Trans- und Intersexuellen-Szene nicht an.
Wie wir allerdings erst auf Umwegen erfuhren, wird es am 27. September 1999 um 19.00 Uhr in Ihrem Hause ein erneutes Gespräch zum Thema "Eingetragene Lebenspartnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare geben. Im Gegensatz zu den Vertretern der konservativen Homosexuellenorganisationen wurde unsere in der Tradition des vom sozialdemokratischen Sexualreformer Magnus Hirschfeld 1897 gegründeten WhK stehende Assoziation leider weder zu diesem noch zu vorherigen Treffen geladen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich hinsichtlich dieses die Lebensfragen aller Betroffenen künftig stark beeinflussenden Themas auch den Ansichten der von uns vertretenen politischen Richtung öffnen und Vertreter des whk zu dem oben genannten Termin laden würden. An politischer Erfahrung, juristischer Sachkompetenz sowie konstruktivem Ideenreichtum besteht unsererseits sicherlich kein Mangel.
In Erwartung Ihrer Rückäußerung verbleiben wir mit freundlichen GrüßenDirk Ruder
Bundessprecherin
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Bundesministerium der Justiz
Geschäftszeichen I A 1Berlin, 28. Oktober 1999
An das
Wissenschaftlich-humanitäre Komitee
Bundessprecherin
Herrn Dirk Ruder
Mehringdamm 61
10961 BerlinSehr geehrter Herr Ruder,
die Bundesministerin der Justiz hatte Ihnen mit Schreiben vom 24. September 1999 auf Ihr Schreiben vom 7. September 1999 geantwortet. Dieses Schreiben konnte Ihnen leider nicht zugestellt werden. Ich versuche hiermit noch einmal, Ihnen das Schreiben von Frau Ministerin zukommen zu lassen. Die dort ausgesprochene Einladung zu einem Gespräch mit Frau Ministerialrätin Adlerstein besteht nach wie vor. Ich bitte zu entschuldigen, dass es bei der Zustellung zu Problemen gekommen ist.Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
(Dr. Silvia Schumacher)
Anm.: Der Brief der Ministerin war siehe unten schlichtweg nicht an das whk adressiert worden.
*
PROF. DR. HERTA DÄUBLER-GMELIN MdB
BUNDESMINISTERIN DER JUSTIZ
24. September 1999
Herrn
Dirk Ruder
Mehringdamm 6110961 Berlin
Sehr geehrter Herr Ruder,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 7. September 1999.
Mit Interesse habe ich vom "wissenschaftlich-humanitären komitee", das Sie vertreten, und von dessen Zielen gelesen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es auch in der Gruppe der Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung unterschiedliche Auffassungen in den Fragen der Beseitigung von Diskriminierungen und insbesondere auch zur Schaffung eines rechtlichen Rahmens für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gibt.Daher habe ich, bevor ich das in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Gesetzesvorhaben zur Beseitigung von Diskriminierungen und zur Gleichbehandlung auf den Weg bringe, das Gespräch mit Vertretern von Organisationen der Betroffenen gesucht, um ein umfassendes Meinungsbild über deren Wünsche und Bedürfnisse zu erhalten. Zu Beginn dieses Jahres hat bereits ein erstes Gespräch stattgefunden; dabei habe ich auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Teilnehmerkreises geachtet. Den Meinungsaustausch werde ich mit diesen Gesprächsteilnehmern Ende September 1999 fortsetzen. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass es allein schon aus organisatorischen Gründen nicht möglich ist, den Kreis der Teilnehmer zu erweitern.
Ich möchte Sie aber zu einem Gespräch mit Frau Ministerialrätin Adlerstein einladen. In der Unterabteilung von Frau Adlerstein wird das Gesetzesvorhaben zur Schaffung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft vorbereitet. Den Termin für ein Gespräch im Bundesministerium der Justiz vereinbaren Sie am besten selbst mit Frau Adlerstein. Sie ist unter der Rufnummer 030/2025-9109 zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Anm: Für das whk versuchte Eike Stedefeldt mehrfach einen Termin mit Frau Adlerstein zu vereinbaren. Die Ministerialrätin meldete sich allerdings entgegen ihrer telefonischen Ankündigung nie mit einem konkreten Vorschlag zurück und war auch ansonsten für das whk nicht erreichbar.
*
wissenschaftlich-humanitäres komitee
Regionalgruppe Berlin
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin
Bundesministerium der Justiz
Jerusalemer Straße 24-28
10117 Berlin
Fax: 030/20259043Berlin, 10. Juli 2000
Sehr geehrte Frau Ministerin,mit Empörung haben wir zur Kenntnis genommen, daß Sie in Absprache mit den rechtspolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD für den heutigen Tag um 15.00 Uhr abermals ein Treffen mit Lesben- und Schwulenorganisationen zur Eingetragenen Partnerschaft angesetzt haben. Dankenswerterweise wurden wir über den Termin im Berliner Willy-Brandt-Haus von Herrn Achim Schipporeit, dem ehemaligen Vorsitzenden der Schwulen und Lesbischen Sozialdemokratinnen Niedersachsen, informiert.
Unser Zorn rührt insbesondere daher, daß Sie es offenbar nicht für nötig erachten, Verbände und Vereine zu Ihren Absprachen hinzuzuziehen, die eine kritischere Haltung zum geplanten Sondergesetz für Homosexuelle haben als die bisher beteiligten Gruppierungen. Im September 1999 schrieben Sie an unsere Bundessprecherin Dirk Ruder, Sie hätten "das Gespräch mit Vertretern von Organisationen der Betroffenen gesucht, um ein umfassendes Meinungsbild über deren Wünsche und Bedürfnisse zu erhalten". Das wissenschaftlich-humanitäre komitee muß nach seiner damaligen expliziten Ausladung und der jetzigen erneuten Nichteinladung bei allem Respekt feststellen, daß dies offenkundig gelogen war und Sie sich für unsere Meinungen, Wünsche und Bedürfnisse nicht ein Deut interessieren. Denn selbst wenn uns ein anderes Gleichstellungskonzept vorschwebt als Ihnen: Betreffen wird uns dieses Sondergesetz, es wird unsere bisher freien, vom Staat nicht kontrollierten Lebensweisen massiv beeinflussen.
Als noch skandalöser empfinden wir es jedoch, daß Ihre Ausschlußpraxis auch den Lesbenring als größte Organisation lesbischer Frauen in der Bundesrepublik betrifft. Wir waren eine derart frauenfeindliche Ignoranz bisher nur von Männern gewohnt. Sie haben ferner bei Erarbeitung Ihres Gesetzes die Auffassung der Deutschen AIDS-Hilfe als Dachverband von über 130 regionalen AIDS-Hilfen ignoriert, die aus gesellschafts- und gesundheitspolitischer Sicht seit Jahren erhebliche Bedenken gegen das Gesamtkonzept der "Eingetragenen Partnerschaft" äußert. Und auch ganze homosexuelle Landesnetzwerke sind klar dagegen, etwa der Runde Tisch der Lesben und Schwulen des Landes Brandenburg, der sich seit Jahren vehement für alternative Regelungen ausspricht.
Wir empfinden diese Praxis als Affront. Ein Gesetz, das auf derart undemokratische Weise über die Köpfe der Betroffenen hinweg installiert wird, müssen wir ablehnen. Wir fordern Sie und die Koalition hiermit eindringlich auf, zu demokratischen Prinzipien zurückzukehren, den Termin zu verschieben, den Kreis der Teilnehmenden deutlich zu erweitern und bis zu einer in der Lesben- und Schwulenszene gefundenen zufriedenstellenden Lösung für alle Betroffenen Ihr Gesetzesvorhaben zu stoppen. Andernfalls wäre das whk gezwungen, sich der in der Szene bereits formierenden Protestbewegung gegen Rot-Grün anzuschließen.
Hochachtungsvoll
Eike Stedefeldt
whk-Regionalgruppe Berlin
Zur Kenntnisnahme:
SPD-Bundesvorstand
SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag
Lesbenring e.V.
Presse/Rundfunk
Anm: Das Schreiben wurde am selben Tage dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Peter Struck sowie SPD-Generalsekretär Franz Müntefering mit der Bitte zur Kenntnis gegeben, sich ob der undemokratischen Verfahrensweise des BMJ zur "Vermeidung schwerweigender Konflikte" dringend "der Angelegeneheit anzunehmen und im Rahmen Ihrer Möglichkeiten ordnend einzugreifen". Es antwortete im Auftrage Strucks dessen Stellvertreter Ludwig Stiegler:
FRAKTION DER SPD IM DEUTSCHEN BUNDESTAG
STELLVERTRETENDER VORSITZENDER
Ludwig Stiegler, MdB
Herr
Eike Stedefeldt
Wissenschaftlich-humanitäres Komitee
Mehringdamm 61
10961 Berlin
Berlin, 23. Oktober 2.000
Lebenspartnerschaftsgesetz
Sehr geehrter Herr Stedtefeldt,
ich danke Ihnen für Ihr an den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Peter Struck, gerichtetes Schreiben vom 11. Juli 2000, in dem Sie das Vorhaben eines Lebenspartnerschaftsgesetzes und die fehlende Beteiligung einzelner hiervon betroffenen gesellschaftlichen Gruppen an den Beratungen hierzu kritisieren. Herr Struck bat mich als, für den Bereich Rechtspolitik zuständigen stellv. Fraktionsvorsitzenden, hierzu Stellung zu beziehen.Über die Hintergründe für eine unterbliebene Beteiligung Ihrer Organisation an den Gesprächen zum geplanten Lebenspartnerschaftsgesetz habe ich keine Kenntnis. Die SPD-Bundestagsfraktion hat auch keinen Einfluss darauf, mit welchen Personen oder Organisationen die Bundesministerin der Justiz das Gespräch hierzu sucht. Prinzipiell halte ich es für wichtig, bei einem so wichtigem Gesetzesvorhaben wie das Lebenspartnerschaftsgesetz alle Lesben- und Schwulenorganisationen einzubeziehen.
Ob die für ein konstruktives Gespräch erforderlichen atmosphärischen Voraussetzungen gegeben waren, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Diktion des von Ihnen ebenfalls übersandten Schreibens an Frau Ministerin Däubler-Gmelin läßt hierauf allerdings Rückschlüsse zu.
Selbstverständlich respektiere ich die ablehnende Haltung Ihrer Organisation zu unserem Vorhaben einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, auch wenn ich ihre Auffassung nicht teile. Abgesehen vom Kritik am Verfahren entnehme ich Ihrem Schreiben und den übersandten Anlagen keine inhaltliche Kritik an dem Gesetzentwurf, zu der ich im Detail Stellung beziehen könnte.
Wie Sie sicher wissen ist dieser Entwurf in erster Lesung beraten worden. Da dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, rechne ich mit einem längeren Gesetzgebungsverfahren, das möglicherweise noch zu vielen Änderungen im Entwurf führt. Es besteht also noch genügend Gelegenheit, für Ihre Position zu werben.
Mit freundlichem Gruß
Ludwig Stiegler